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Coronavirus Mit Musik durch eine schwere Zeit

Mit einem Kurzkonzert hat der Spielmannszug Elbingerode Harz am Samstag für Abwechslung im Altenheim Elbingerode gesorgt.

Von Karoline Klimek 13.05.2020, 01:01

Elbingerode l Keine Feste, keine Gemeinschaft, kein Besuch. Bewohner in Alten- und Pflegeheimen haben es dieser Tage besonders schwer. Da sie zur Risikogruppe gehören, wurden die Einrichtungen in den vergangenen Wochen coronabedingt von der Außenwelt abgeschottet. Um den Senioren im Altenheim Bleichenkopf in Elbingerode eine Freude zu bereiten, hat eine kleine Besetzung des Spielmannszugs Elbingerode Harz am Samstag im Innenhof ein Luftkonzert gegeben.

„Wir wollten den Auftritt im Seniorenheim machen, um die älteren Mitbürger in einer Zeit, in der sie nicht besucht werden dürfen, etwas aufzumuntern“, erklärt Vereinsvorsitzender Mario Kulp. Inspiriert von den Balkonkonzerten aus anderen Städten seien sie auf die Idee gekommen. Oberharz-Stadt-Bürgermeister Ronald Fiebelkorn (CDU) unterstützt das Engagement: „Warum sollen wir das den Bewohnern nicht auch bieten? Weil die Auflagen gelockert wurden, bot sich das jetzt an.“

Als Vorsitzender des örtlichen Carneval-Vereins wisse er um die Wichtigkeit solcher Aktionen. „Sonst haben wir zu Walpurgis immer auch etwas im Altenheim gemacht. Das kam stets gut bei den Bewohnern an“, erzählt Fiebelkorn. „Wenn wir etwas machen wollen, fahren wir irgendwo hin. Die Bewohner hier sind aber darauf angewiesen, dass ihnen etwas geboten wird. Sie sind zwar sehr genügsam, aber sicher ist das auf Dauer belastend.“

Das bestätigt Pflegedienstleiterin Rita Angerstein. „Wir sorgen unter Beachtung der Abstandsregeln trotzdem für Beschäftigung im Haus, niemand ist in seinem Zimmer isoliert. Aber so langsam kommt der Lagerkoller“, schätzt sie ein. „Wir wollen eine gewisse Normalität aufrecht erhalten. Es ist für die Bewohner schlimm, dass keine Angehörigen kommen durften. Wir sind im Moment ihre Familie.“

Sehen konnten die derzeit 83 betreuten Senioren ihre Verwandten nur durch ein Besuchsfenster oder via Skype und Facetime. „Wir hoffen, dass es durch die seit Montag geltenden Lockerungen leichter wird“, meint sie. Unter anderem könne dann auch wieder Physio- und Ergotherapie angeboten werden. „Das ist wichtig, um die Mobilität zu erhalten. Wir haben in den vergangenen Wochen zumindest nach unseren Möglichkeiten Bewegungsangebote realisiert.“ Zudem sei die Belegschaft zu Walpurgis als Hexen verkleidet durchs Haus gegangen, „sodass die Bewohner an diese Höhepunkte erinnert werden“.

Denn bei allen Bemühungen um ein Alltagsgefühl sind die Beschränkungen weiterhin hoch. Auch das traditionelle Sommerfest, zu dem stets viele Angehörige kommen, habe man bereits abgesagt. „Wir werden andere Möglichkeiten finden, kleine Festivitäten machen“, verspricht Rita Angerstein. „Vielleicht macht auch das kleine Konzert die Runde und es kommen weitere Ensembles zu uns.“ So wie vor zwei Wochen bereits der Posaunenchor der Kirche Elbingerode.

Bei den Bewohnern kommt das Engagement gut an. „Es ist schön, dass alle mal wieder beieinander sitzen können nach so vielen Tagen. Das Wetter ist auch schön und das Würstchen schmeckt“, freut sich Heimbeiratsvorsitzende Vera Diecke über das Grillfest. „Sonst hat sich jeder in sein Zimmer zurückgezogen. Jetzt ist das ein neues Gefühl.“ Doris Storbeck bezeichnet das sogar als „Gefühl der Freiheit“. Mit der Heimleitung zeigt sie sich deshalb sehr zufrieden. „Es wird viel für uns gemacht.“

Wieder die Gemeinschaft genießen – das ist es auch, was der Spielmannszug von dem Auftritt mitnimmt. Normalerweise wird jeden Donnerstag im Jugendclub geprobt. Der letzte Trainingstag war Ende Februar. „Wenn man das Hobby so lange ausübt, ist es ungewohnt. Ich mache das seit 35 Jahren und das ist die erste Krise, die ich musikalisch erlebt habe“, erzählt Kassenwartin Beate Holze. „Derzeit spiele ich zu Hause für mich allein, damit ich drin bleibe. Ich mache jeden Donnerstag meinen eigenen Übungsabend.“

Ansonsten bleibe die Gruppe vorwiegend per WhatsApp in Kontakt. „Wir schicken uns Bilder, wer wie zu Hause übt. Aber auch mal lustige Fotos zur Aufheiterung“, verrät der Vorsitzende Mario Kulp, der bereits seit 42 Jahren in dem 1923 gegründeten Spielmannszug aktiv ist.

Für den erst 2017 aus den Reihen der Feuerwehr herausgelösten Verein ist die Corona-Krise aber nicht nur wegen der fehlenden Gemeinschaft schwer. Das Problem: Durch die abgesagten Schützenfeste entfallen die Geld bringenden Termine. „Im Jahr haben wir rund 20 Auftritte, davon fallen 15 in den Sommer“, zeigt Beate Holze auf.

Die finanzielle Situation sei schwierig, deshalb habe der Verein als Mitglied des Landessportbunds Corona-Hilfe beantragt. „Die laufenden Kosten wie die Versicherungsbeiträge bleiben“, erklärt Mario Kulp. „Zudem benötigen wir immer wieder neue Instrumente, die kostspielig sind, oder Bekleidung. Wir sind froh, dass wir zumindest den Jugendclub kostenlos nutzen können.“

Hoffnung schöpfe der Verein aus seinem Hobby. „Schlimm ist für uns nicht, dass man einen Mundschutz tragen muss oder sich nicht sehen kann, sondern dass wir nicht miteinander musizieren können“, meint der musikalische Leiter Lucas Schieck. Deshalb sei auch ein erneuter Auftritt im Altenheim für ihn denkbar. „Musik ist das, was unser Herz aufleben lässt und unseren Verein ausmacht. Musik ist aber auch wichtig für jeden einzelnen. Sie macht gesund.“