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Demonstration Farbe bekennen für Europa

Der Amerikaner Bob Cowan setzt jeden Montag auf dem Wernigeröder Markt ein Zeichen für Europa.

Von Julia Bruns 15.05.2017, 01:01

Wernigerode l Jeden Montag ab 15 Uhr ist so weit: Mit einer Europafahne stehen der Amerikaner Robert Cowan und 25 Mitstreiter vor dem Wernigeröder Rathaus. Sie werben für den Zusammenhalt in der europäischen Staatengemeinschaft. „Wir demonstrieren ohne Lautsprecher, halten keine große Reden“, sagt der 62-Jährige, der an der Hochschule Harz Englisch unterrichtet. „Wir reden miteinander und erzählen von unserem Leben in Frieden, und darüber, wie Europa das ermöglicht hat.“

Inspiriert wurde der aus San Diego stammende Professor von den Quäkern, einer religiösen Gruppe mit christlichen Wurzeln, die mit ihrem stillen Protest gegen den Vietnamkrieg und den Kalten Krieg Widerstand leistete. „In San Diego war eine große Militärbasis. Als ich Kind war, standen Quäker an der Straße auf dem Weg zur Militärbasis mit Schildern und demonstrierten gegen die Atombombe, aber ganz ohne Marschieren. Sie standen einfach nur da.“ Das beeindruckte ihn. Der Kalte Krieg mit der ständigen Angst eines atomaren Erstschlags habe ihn und eine ganze Generation traumatisiert. Umso wichtiger ist Cowan ein friedliches Miteinander.

„Die Welt ist prekär geworden mit Trump, Erdogan und Putin“, sagt er nachdenklich. „Aber Europa ist ein stabilisierender Faktor in der Welt.“ Damit das so bleibt, will er mit Europaskeptikern ins Gespräch kommen.

Er erinnert sich noch gut an jenen Tag, an dem er den Entschluss fasste, selbst tätig zu werden. „Es war ein Freitagabend und wir haben die Nachrichten im Fernsehen verfolgt – es war angsteinflößend“, blickt er zurück. „Dann habe ich an meine Freunde eine Email geschrieben und sie auf den Markt eingeladen.“

Das war Ende März. „Wir waren zunächst nur neun Leute, eigentlich nur Bekannte und Freunde von mir“, sagt er. „Aber die Resonanz der Passanten war toll. Von den Cafés winkten sie uns und kamen rüber zum Gespräch.“ Über das Bürgerbündnis für Weltoffenheit und Demokratie wurden schnell weitere Gleichgesinnte auf die Aktion des Amerikaners aufmerksam. „Beim zweiten Mal waren dann Leute aus allen Gesellschaftsschichten vertreten – Studenten, Unternehmer, Handwerker, Kollegen aus der Hochschule.“ Fast 30 Mitstreiter zählt die Gruppe mittlerweile – und geht es nach Bob Cowan, können es gerne noch mehr werden, die Farbe bekennen.

Er vertrete durchaus auch kritische Ansichten – so glaubt er, dass die Einführung des Euro ein Fehler war. „Für die Einführung sprachen sich keine Volkswirte aus. Aber sehr viele Gründe, die gegen Europa allgemein ins Feld geführt werden, basieren nicht auf Fakten und Analysen, sondern bestehen auf diffusen Gefühlen“, beschreibt er seinen Eindruck.

Bob Cowan lebt seit 1995 in Wernigerode. Zuvor unterrichtete er als Professor an einer Hochschule in Zwickau, gründete dort sogar ein Baseball-Team. Erstmalig in Deutschland war er als Student 1977 in Heidelberg, wo er im „heißen Herbst“ die Terrorwelle der RAF miterlebte. 1986 ging er nach Göttingen, um dort seine Doktorarbeit zu schreiben. Dort lernte er auch seine Frau kennen, mit der er heute in Wernigerode lebt.

„Es gibt Probleme und vieles ist verbesserungswürdig. Die Größe und die Vielfalt Europas sind aber auch Stärken“, ist er überzeugt. Angst machen ihm die populistischen Bewegungen, die sich in mehreren Staaten gebildet haben. „Meine Befürchtung ist, dass Europa von sich aus auseinandergeht wegen der Kleinstaaaterei – wie einst das Heilige Römische Reich deutscher Nation.“