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Denkmalpflege Wernigerodes Rathaus unter der Lupe

Die Fassaden des Wernigeröder Rathauses brauchen nach 27 Jahren eine umfassende Schönheitskur. Zuvor werden die Schäden untersucht.

Von Katrin Schröder 05.05.2020, 01:01

Wernigerode l Es ist das Wahrzeichen und Aushängeschild der Stadt: Das Wernigeröder Rathaus prägt wie kein anderes Bauwerk die historische Innenstadt. „Für die Stadt ist es mit Abstand das wichtigste und bedeutendste Gebäude – und das älteste“, sagt Wernigerodes Baudezernent Burkhard Rudo. Damit es trotz seines fortgeschrittenen Alters weiterhin glänzt und strahlt, soll die Fassade einer Schönheitskur unterzogen werden.

Im Jahr 1427 haben die Wernigeröder Grafen das Gebäude der Stadt geschenkt. „Seitdem kümmern wir uns um dieses Häuschen“, sagt Rudo mit einem Lächeln. Dazu gehören regelmäßige Instandsetzungen. „Es vergeht kaum ein Jahr, in dem an dem Haus nicht gearbeitet wird“, so der Dezernent. In der Vergangenheit sind unter anderem bereits die Trauzimmer und der Ratskeller hergerichtet worden, es wurde in den Brandschutz investiert. Nun ist die Fassade an der Reihe, die zuletzt 1993 umfassend aufgefrischt worden ist. Das Gebäude macht trotzdem immer noch einen guten Eindruck. „Ich wollte erst gar nicht glauben, dass dies vor 27 Jahren zum letzten Mal erledigt worden ist“, sagt Ralf Sieber, Amtsleiter für Immobilienmanagement.

Wenn man jedoch genau hinsieht, offenbaren sich an vielen, wenn auch kleineren Stellen sichtbare Schäden – abgeplatzte Farbe, brüchiger Putz und Risse in den Wanden. „Sorgen haben wir aber vor allem wegen der nicht sichtbaren Stellen“, so Sieber. Abplatzungen auf der Gebäuderückseite wiesen auf mögliche bauphysikalische Probleme hin.

Um diese zu finden, sind vor der Sanierung bautechnische Untersuchungen geplant, bei denen die Holzbauteile ebenso wie Putz und Mauerwerk im Fokus der Bauforscher, Techniker und Restauratoren stehen werden. Bereits Anfang Februar wurde eine Thermografie vorgenommen, um herauszufinden, wo das Gebäude Wärme abgibt. „Stellen mit erhöhtem Wärmedurchgang könnten Schadensstellen sein“, so Rudo. Bestimmte Gebäudeteile seien dabei anfälliger als andere, ergänzt Sieber. „Meist sind die Ecken besondere Schadstellen.“

Nach wochenlanger Vorlaufzeit sollen die Untersuchungen nun starten. Vier Gerüsttürme sind aufgestellt worden, am Montag, 4. Mai, haben die Restauratoren mit den Analysen begonnen, informiert Burkhard Rudo. Dabei werde die Fassade an verschiedenen Stellen geöffnet, um die darunter liegenden Schichten unter die Lupe zu nehmen. Oberstes Gebot sei dabei, möglichst wenig Schaden zu verursachen und die Stellen im Anschluss wieder spurlos zu verschließen. Mit im Boot ist die gleiche Blankenburger Firma, die schon 1993 die Fassadensanierung besorgte. Ziel ist es, 2021 zu beginnen.

Nebenbei bieten die Untersuchungen – wie bei vorherigen Bauprojekten – Gelegenheit, mehr über die Geschichte des Gebäudes zu erfahren. Bei der Erneuerung des Dachstuhls habe man beispielsweise herausgefunden, dass die Rathaustürme keineswegs eine „nachträgliche Zutat“ seien, die später hinzugefügt wurde. Untersuchungen des Holzes hätten dies widerlegt, so Rudo.

Die Farbgebung wird indes die gleiche bleiben – auch wenn sie nicht historisch verbürgt ist. „Es hat über die Jahrhunderte sehr viele Farbfassungen gegeben“, erklärt Rudo. In gotischer Zeit sei das Gebäude vermutlich schwarz und weiß gewesen. Zeitweise sei das Rathaus monochrom, also einfarbig gestrichen worden. Die rote Fassade, wie wir sie heute kennen, stammt aus dem Jahr 1946. Der Anstrich sei aber nicht nur eine Frage der Ästhetik, stellt der Baudezernent klar: „Farbe ist nicht nur Dekoration, sondern auch Schutz.“

Besonderes Augenmerk sollen die Restauratoren zudem auf die Figuren legen, welche rundherum die Fassaden zieren. „Sie haben kulturgeschichtlich eine herausragende Bedeutung“, betont Rudo. „Sie erzählen vom Leben in der Stadt.“ Abgebildet sind unter anderem Feiern und Feste, wie sie auf dem Markt gefeiert wurden, etwa ein mittelalterlicher Fastnachtstanz. „Das ist in Deutschland einmalig“, so der Baudezenernt. Zu sehen sind aber auch regionale Trachten und Zünfte, verkörpert durch die sogenannten Knappen an der Ostseite des Rathauses, die Otto Welte 1936 geschaffen hat.

Eine Frischzellenkur erhält im gleichen Zuge die Ratswaage, die vor gut 40 Jahren zum letzten Mal grundhaft instandgesetzt wurde. Die Farbgebung stamme von 1979, erläutert Burkhard Rudo. „Auf den ersten Blick denkt man, es sieht noch gut aus. Aber das ist ein oberflächlicher Eindruck.“ Bei genauerem Hinsehen zeigten sich zahlreiche Gebrauchsspuren, Abplatzungen an Wänden und Türen sowie Schmutz und Kratzer am Fußboden.