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Deutsche EinheitDie Mauerteile hätte er gern verkauft

Zum 27. Mal feiert der Harzklub den Tag der Deutschen Einheit auf dem Brocken. Festredner ist Lothar de Maizière.

Von Regina Urbat 04.10.2017, 01:01

Wernigerode l Der Mann der Geschichte geschrieben hat, taucht zunächst in die Geschichte ein. Lothar de Maizière wird im Brockenhaus von Gerd Borchert durch die Ausstellungen geführt. Wohl kaum besser hätte sich der Festredner auf die wenig später folgende Feier des Harzklubs zum Tag der Deutschen Einheit auf dem Brocken einstimmen können.

Der erste und letzte freigewählte Ministerpräsident der DDR hat, wie er sagt, zwei Tage vor der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 den Nationalpark Oberharz „gerade noch rechtzeitig bei der EU angemeldet“. Sein damaliger Umweltminister Karl-Hermann Steinberg (CDU) habe ihm geraten, die wertvolle Fauna und Flora entlang der innerdeutschen Grenze zu retten. „Es war richtig“, sagt de Maizière, während seine Frau Marianne am Simulator im Eingangsbereich des Brockenhauses über das Schutzgebiet „fliegt“.

Dann betritt der 77-Jährige das traurige Kapitel der Deutschen Teilung, die in dem Ausstellungsraum mit dem Mauerfall auf dem Brocken endet – am 3. Dezember 1989 von Tausenden mutigen Brocken-Wanderern erzwungen. Der Jurist wirkt nachdenklich und spricht von Erinnerungen, die er als Kind an den Brocken hat. In Nordhausen geboren und aufgewachsen sei er als Siebenjähriger während eines Schulausfluges auf dem Harzgipfel gewesen.

28 Jahre später, als Ministerpräsident, hätte er gern die Mauerteile auf dem Brocken und in Berlin verkauft und das Geld in die Staatskasse gesteckt. Doch darauf sei nichts geworden. Die Bundeswehr hielt die Hand darauf, die Betonelemente fanden in der Land- und Wasserwirtschaft Verwendung. „Von den 2.318 Mauerteilen gingen bis auf das eine Element im Brockenhaus alle für 200 D-Mark weg“, weiß Gerd Borchert zu berichten. Er und de Maizière tauschen weitere Erinnerungen aus, bevor für den CDU-Politiker der offizielle Teil seines Brockenbesuches beginnt.

Dem Wetter geschuldet, es ist kühl, stürmisch, nass und neblig, wird die Eröffnung der Einheitsfeier nicht am Wolkenhäuschen ausgerichtet, sondern im Goethesaal des Brockenhotels. Er ist rappelvoll, der Harzklub-Präsident Oliver Junk begrüßt die Ehrengäste und Harzklubler aus Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen herzlich. „Ist Deutschland endlich zusammengewachsen?“ Diese Frage ist das Schlüsselthema von Junk zum 27. Jahrestag der Deutschen Einheit.

Der Goslarer CDU-Oberbürgermeister mahnt, das Zusammenwachsen nicht an Unterschieden bei Lohn, Rente oder Wahlergebnissen zu messen. „Diese Diskussionen sind völlig schräg.“ Vielmehr sollte man darüber sprechen, wie Unterschiede zwischen Metropol-Regionen und dem ländlichen Raum zu beheben sind, als ständig über Ost und West. Der Harzklub gehe mit bestem Beispiel voran. „Wir sind ein Harz und haben eine Heimat.“

De Maizière fasst in seiner Rede das Zusammenwachsen weiter und geht auf die aktuelle Europa-Politik ein. Er appelliert eindringlich für ein „einheitliches Europa“ und mahnt, dass sich die Mitgliedsstaaten mit den großen Dingen und nicht mit kleinen befassen sollten. „Ansonsten droht der Zerfall.“

Das Rahmenprogramm gestalten die Blaskapelle des Harzklub-Zweigvereins Hannover und die Harzer Jodelmeisterin Marina Hein mit ihrer Gruppe aus Seesen. Unterstützt wird die Feier vom Brockenwirt und der Harzer Schmalspurbahnen GmbH mit Sitz in Wernigerode.