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Dienstjubiläum Café Wien: Das ist ihr Leben

Das Café Wien in Wernigerode ist untrennbar mit Marga Siegemund verbunden. Die 83-Jährige feiert ihr 65. Dienstjubiläum.

Von Regina Urbat 22.08.2017, 01:01

Wernigerode l Das macht ihr so schnell keiner nach: Marga Siegemund begeht am Mittwoch ihr 65. Dienstjubiläum. Eine Plakette mit einer goldenen 65 steht im Schaufenster, die Eingangstür vom Café Wien ist mit einer Girlande geschmückt. Das besondere Jubiläum ist allemal Grund zum Feiern, zumal die 83-jährige Kaffeehaus-Chefin eine bemerkenswerte und erfolgreiche Unternehmerin ist.

Die Wernigeröderin liebt und lebt ihren Beruf, den sie am 23. August 1952 mit der Ausbildung zur Serviererin begonnen hatte. Sie wollte raus aus Heimburg und „etwas mit Menschen zu tun haben“, sagt die sympathische Rentnerin. Es sei eine schöne Kindheit gewesen. Gern habe sie nach Beendigung ihrer Schulzeit im elterlichen Landwirtschaftsbetrieb gearbeitet. Als ihre jüngere Schwester Käthe nachrückte, ergriff Marga, damals Wolff, die Chance, bei der Handelsorganisation (HO) der DDR einen Lehrvertrag in der Gastronomie zu bekommen. „Ich hatte von Tuten und Blasen keine Ahnung“, sagt sie. Es habe sogar an Berufsbekleidung gefehlt. So wurde Omas Spitzenunterrock zur Kellnerschürze umgeschneidert. Aufgeregt und schüchtern sei sie gewesen, habe einen „roten Kopf bekommen“, sagt Marga Siegemund und lacht.

Im Oktober 1952 eine zweite glückliche Fügung: Im Ratskeller angestellt, half sie im Café Wien für eine erkrankte Bedienung aus. Auf Wunsch des Chef-Ehepaars Marschner blieb sie, lernte ihren Ehemann, den Konditormeister Joachim Siegemund, kennen und lieben. Seiner Familie gehörte seit 1936 das Haus, in dem ihr Schwiegervater, Konditormeister Hans Siegemund, das „Café Hauer“ bis zur Übernahme durch die HO 1951 führte.

„Es waren damals schöne Zeiten“, erinnert sich Marga Siegemund, denn Tradition und Familiensinn seien auch den Marschners immer wichtig gewesen. Als nach der Wende die Option stand, das Eigentum zurückzubekommen, zögerten die Siegemunds nicht. Mit Fleiß und Unterstützung der Kinder führten sie ihr Café in die Privatwirtschaft zurück. Leider erlebte Joachim Siegemund dies nur drei Jahre mit. Er verstarb bereits 1993. Ganz in seinem Sinne führte Marga Siegemund die Geschicke weiter und machte das Café Wien samt denkmalgeschütztem Haus zu dem, was es heute ist.

„Ach, hör doch auf“, entgegnet sie stets bei anerkennenden Worten. Nein, „einen großen Zirkus“ um ihre Person, das möge sie nicht. Deshalb wird sie an ihrem Jubiläumstag wie eh und je ihre Arbeit verrichten. „Ich werde alles auf mich zukommen lassen“, fügt sie hinzu. Doch unvorbereitet ist sie mit Sicherheit nicht. Wer Marga Siegemund kennt, weiß, dass sie Kunden gern mit einer kleinen Aufmerksamkeit beschenkt. Sei es ein Gläschen Sekt oder einfach Zeit, um sich zu einem Gespräch mit an den Tisch zu setzen. „Die Gäste sind mein Lebenselixier.“

Ganz wichtig sei ihr auch das Wohlergehen ihrer Mannschaft. „Ohne meine Leute bin ich nichts“, sagt die Chefin und denkt da in erster Linie an ihre Tochter Gudrun, an Carola Spangenberg, Manuela Trepczyk, Rolf Trümpelmann, Manuela Mett und die Konditormeisterin Elke Meier-Schikorra. Bei gemeinsamen Firmen-Essen und Ausflügen ist immer Lilo Trepczyk dabei, eine ehemalige langjährige Mitarbeiterin. „Das muss sein“, sagt Marga Siegemund, die sehr traditionsbewusst ist.

Niemals käme sie auf den Gedanken, im Café Wien Mittagstisch anzubieten oder gar Veränderungen an der originalen Ausstattung vorzunehmen. „Das Café bleibt das Café mit einer reichen Auswahl an Torten und Gebäck.“ Und das nun schon seit 120 Jahren in dem wunderschönen Renaissancehaus Breite Straße 4, das 1583 erbaut wurde.

Der Bäcker und Konditormeister Hermann Hauer war es, der in dem Fachwerkhaus im Jahr 1897 die Kaffeehaustradition begründete. Und mit Sicherheit wären er und Schwiegervater Hans sehr stolz auf Marga Siegemund, die von sich sagt, sie sei ein glücklicher Mensch, und versichert: „Das Café Wien ist mein Leben.“