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Fachkräftemangel Trübe Aussichten für Apotheken

Immer mehr Apotheken schließen - obwohl die Kundenzahlen nicht sinken. So auch die Schloss-Apotheke in Wernigerode.

Von Uta Müller 12.12.2019, 03:00

Wernigerode l „Apotheke geschlossen“. An dem Geschäftseingang in der Albert-Bartels-Straße in Wernigerode hängt ein DIN-A-4-Blatt mit dieser Aufschrift an der Eingangstür des verwaisten Geschäfts.

„Mir blieb keine andere Wahl“, so Apothekerin Nancy Nitschke. Nach mehr als 15 Jahren musste sie Ende Oktober ihre Schloss-Apotheke in der Altstadt schließen, weil sie kein Personal finden konnte. „Jetzt ist der Fachkräftemangel auch bei uns angekommen“, sagt die Wernigeröderin. „Ich wollte und konnte einfach keine 60 Stunden mehr in der Woche arbeiten“, so die Apotheken-Eigentümerin weiter.

Im März 2004 hatte die 45-Jährige die Schloss-Apotheke von Dietrich Wedler übernommen. Seitdem leitete sie das Geschäft in der einstigen Poliklinik. Die Besitzerin hat vergeblich nach einem ausgebildeten weiterem Apotheker zur Unterstützung gesucht. Dabei sei ihr Unternehmen wirtschaftlich profitabel gewesen. Wochenend- und Notdienste gab es schon immer in Apotheken. Die zunehmende Bürokratie mache die Arbeit zusätzlich immer schwieriger und unattraktiver. „Wir brauchen deswegen heutzutage mehr Mitarbeiter für die gleiche Kundenzahl. Das verschärft das Fachkräfteproblem“, sagt Nancy Nitschke. Keiner ihrer Mitarbeiter wurde entlassen. Sie alle haben eine Anstellung in der Brücken-Apotheke in der Burgbreite, der zweiten Apotheke der Wernigeröderin, gefunden. Zwei pharmazeutische Mitarbeiter und eine Pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte (PKA) ergänzen jetzt das Team in der Filiale in der Burgbreite.

Wie die Bundesvereinigung deutscher Apotheker (ABDA) mitteilt, nimmt die Zahl der öffentlichen Apotheken weiter ab. Nach neuesten Daten der ABDA wurden Ende des dritten Quartals dieses Jahres genau 19.196 Apotheken registriert. Das waren 227 weniger als Ende 2018. Es gab mehr Schließungen als Neueröffnungen, so die Bundesvereinigung.

Um eine Apotheke eröffnen zu können, braucht es mindestens einen ausgebildeten Pharmazeuten - eigentlich sogar zwei. Denn es gilt eine Anwesenheitspflicht für einen Apotheker im Geschäft. Der Markt aber sei leergefegt. Viele Geschäftsinhaber in Sachsen-Anhalt suchen händeringend nach einem Nachfolger. Wie die Apothekerkammer Sachsen-Anhalt mitteilt, scheuen viele junge Apotheker zunehmend das Risiko der Selbstständigkeit.

Nancy Nitschke sieht für das Fehlen des Apotheker-Nachwuchses mehrere Ursachen: Zum einen seien die Zukunftsaussichten momentan schwer abschätzbar, unter anderem wegen der Konkurrenz durch Versandapotheken aus dem Internet. Hinzu kämen die Arbeitszeiten. Gerade für Jüngere spielten die Nacht- und Notdienste sowie die Arbeitszeiten bis zum Abend eine immer wichtigere Rolle. Viele wechselten in Tätigkeitsgebiete außerhalb der Apotheke und ließen sich zum Beispiel mit gutbezahlten Jobs in die Industrie locken, so Nancy Nitschke.

Nach Angaben der ABDA soll es nicht direkt am Absolventenmangel liegen. Zwar schließen immer mehr Menschen ihr Pharmaziestudium mit Approbation ab. Das Hauptproblem sei die zunehmende Arbeit und der damit verbundene größere Personalbedarf. Zusätzlich wanderten viele Fachkräfte ins Gesundheitswesen oder in die Industrie ab. Und die Online-Konkurrenz gehe auch an der Branche nicht spurlos vorüber.

Um eine Apotheke zu übernehmen, müssten potenzielle Geschäftsinhaber Eigenkapital mitbringen und vermutlich zusätzlich noch einen Kredit aufnehmen. Das Risiko scheinen viele zu scheuen. In der Pharmaindustrie hingegen hätten sie Aussicht auf ein höheres Einkommen, geregelte Arbeitszeiten – und keine Verpflichtungen als Arbeitgeber. Solange die Lage am Arbeitsmarkt so gut bleibe, dürfte das für viele attraktiver sein als die eigene Apotheke, so die Bundesvereinigung.

Welches Geschäft in die Räume der ehemaligen Schloss-Apotheke einzieht, ist bis jetzt noch unklar.