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Finanzen Das Sparschwein hat ausgedient

Das Sparbuch ist out, Niedrigzins und Finanzkrise tun ihr Übriges. Dennoch wird in Wernigerode mehr Geld beiseite gelegt.

Von Jörn Wegner 30.10.2015, 00:01

Wernigerode l „Unser Wohlstand ist auf Sparen gegründet“, sagt Thomas Mohring, der Regionalleiter der Harzer Volksbank in Wernigerode. Was paradox klingt – schließlich komme Wohlstand vom Geldausgeben – hänge mit dem klassischen Prinzip der Banken zusammen: Wer spart, sorgt für ausreichend Kreditmittel, die wiederum für Investitionen eingesetzt werden könnten, sagt Mohring.

Finanzkrise, Niedrigzinspolitik und Online-Banking haben das Sparverhalten massiv verändert. Das hat auch die Harzer Volksbank zu spüren bekommen – durchaus im positiven Sinne. Die Bankenkrise habe den genossenschaftlichen Geldinstituten deutlich mehr Kunden beschert, sagt Mohring. Der Grund: Sparkassen und Volksbanken haben sich nicht an den verheerenden Spekulationen beteiligt. Deshalb gelten sie bis heute als bodenständig und verlässlich, wie aktuelle Studien belegen.

Mit der Bankenkrise sind allerdings auch die klassischen Anlageprodukte außer Mode geraten – zum Beispiel der Bundessparbrief, einst der Inbegriff einer sicheren Anlage. Unter einem Prozent Zinsen gebe es derzeit für zehnjährige Bundesanleihen, sagt Mohring – wenig attraktiv für Kunden.

Das gelte auch für das einst allgegenwärtige Sparbuch. „Wenn mein Vater sparen wollte, dann hatte er ein Sparbuch“, erinnert sich Mohring. Zwar nutzten die Älteren noch ihre Sparbücher. Neue seien aber schon seit Jahren nicht mehr gefragt. Beim Geldanlegen sei es so wie mit der Ernährung, erklärt der Regionalleiter. Einseitigkeit sei ungesund. Viele Anleger würden heute auf ein breites Portfolio aus Aktien, Immobilien und klassischen Sparkonten zurückgreifen. Die Zahlen des genossenschaftlichen Vermögensverwalters Union Investment bestätigen dies. Das Unternehmen, das sich vor allem an Kleinanleger wendet, vermeldete im Sommer einen Rekordumsatz.

Spekulieren wollten die Anleger jedoch nicht. „Sicherheit, Flexibilität und Verfügbarkeit“ seien noch immer die wichtigsten Kriterien bei der Anlage. Erst dann folge die Rendite, heißt es aus der Harzsparkasse.Eine Pauschalempfehlung über die besten Anlagen für Sparer gebe es aber nicht, für jeden Kunden müsse man individuelle Lösungen finden, sagt Mohring und verweist auf die Beratung, die sein Haus bietet.

Auf diese muss man bei Direktbanken verzichten. Die Institute aus dem Internet verfügen meist weder über Berater noch über Filialen, bieten jedoch relativ hochverzinste Tages- und Festgeldkonten an.

Sparen heißt Vorsorgen, und das kann auch Investieren bedeuten. Hier spielen die niedrigen Zinsen den Anlegern in die Hände. Baukredite seien derzeit äußerst günstig zu haben, so Mohring. Bei der Harzsparkasse verzeichnet man einen ähnlichen Trend. Das Eigenheim sei eine der beliebtesten Anlagemöglichkeiten, so Harzsparkassen-Vorstand Werner Reinhardt. Laut der vom Sparkassenverband jährlich in Auftrag gegebenen Vermögensbarometer-Studie halten 53 Prozent der Bürger Immobilien für die beste Anlage.

Die niedrigen Zinsen seien „politisch gewollt“, sagt Volksbank-Regionalleiter Thomas Mohring. Seit mehr als einem Jahr liegt der Leitzins in der Eurozone bei 0,05 Prozent. Die Europäische Zentralbank versucht seit Jahren, durch ihre Politik des billigen Geldes Investitionen anzukurbeln.

Sparern bringt das hingegen wenig. Sie hoffen vielmehr auf steigende Zinsen – doch aller Voraussicht nach vergeblich. Dass die Zinsen in absehbarer Zeit steigen werden, glaubt Thomas Mohring nicht: „Definitiv nicht in den nächsten Jahren.“