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Finanzen Rathaus legt Vermögen offen

Seit 2014 wirtschaftet Wernigerode nach betriebswirtschaftlichen Prinzipien. Jetzt liegt die dazu nötige Eröffnungsbilanz vor.

Von Katrin Schröder 19.10.2017, 01:01

Wernigerode l Wie viel ist das Wernigeröder Rathaus wert? Wer das wissen möchte, kann in der Eröffnungsbilanz nachlesen. Das 240 Seiten starke Zahlenwerk listet akribisch das Vermögen der Stadt auf, taxiert auf Euro und Cent. Die Bilanz bildet die Basis der doppischen Haushaltsführung, mit der Wernigerode arbeitet. Und sie zeigt, wo die Stadt zum Stichtag der Einführung, am 1. Januar 2014 finanziell gestanden hat. „Dies ist die Stunde Null für Wernigerode“, sagt Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos). Wernigerode ist nach Halberstadt die zweite Stadt im Harzkreis, die mit einer Bilanz aufwarten kann.

Zehn Jahre haben Kämmerer Frank Hulzer, seine Mitarbeiter und die gesamte Verwaltung daran gearbeitet. „Wir sind alle erleichtert“, sagt Hulzer. Unterstützt wurden sie von der Beratungsgesellschaft Uelzener Doppik. Die Niedersachsen haben bereits vor 14 Jahren die doppelte Buchführung in Konten, also eine kaufmännische Buchhaltung, eingeführt und eine Bilanz vorgelegt. Torsten Arends arbeitete damals in der Kämmerei und berät heute als Geschäftsführer Kommunen bei der Einführung der Doppik.

Schwer haben es Städte und Gemeinden, weil sie nicht wie Unternehmen bei Null anfangen, sondern wie Wernigerode auf eine lange Geschichte zurückblicken. „Unsere Stunde Null ist im Grunde 1498“, so Arends – das Jahr, in dem das Rathaus gebaut wurde.

Doch wie wird Vermögen erfasst, das vor mehr als 500 Jahren geschaffen wurde? Gerade die 35 Baudenkmäler in städtischem Besitz haben Kämmerei und Beratern Kopfzerbrechen bereitet. Berücksichtigt haben sie letztlich, wie viel Geld die Verwaltung investiert hat – zum Beispiel in das historische Rathaus. Für das Wernigeröder Wahrzeichen ergibt sich so ein Gebäudewert von knapp 1,25 Millionen Euro. Das sei jedoch kein Marktpreis, betonten die Berater.

Fünf bis sechs Aktenordner füllen die Unterlagen allein für diesen Fall. Bei Bauwerken jüngeren Datums gestaltet sich dies einfacher. Rechnungen und Fördermittelbescheide dienten als Grundlage. „Die Mitarbeiter haben sehr akribisch in den Archiven gesucht“, sagt Nico Fischer von der Uelzener Doppik. Wo Unterlagen fehlten, wurde in einem sogenannten Sachwertverfahren eine Summe anhand von Durchschnittswerten berechnet.

180 Gebäude gehören der Stadt. Hinzu kommen rund 4000 Flurstücke, 569 Straßen, Wege und Plätze sowie 87 Brücken. Die Infrastruktur wurde ähnlich bewertet – Beispiel Sandbrink. Die Straße ist im Jahr 2006 grundhaft ausgebaut worden. Fahrbahn und Gehweg schlagen mit einem Wert von knapp 167 800 Euro zu Buche. Eine wichtige Rolle spielt die Zeit. Die acht Straßenlaternen am Sandbrink wurden 2006 nicht erneuert und werden mit nur je einem Euro verbucht, weil ihre Nutzungsdauer mit mehr als 20 Jahren überschritten ist.

Nicht nur Grundstücke und Bauwerke, sondern auch die gesamte Ausstattung der Stadt musste bewertet werden von der Schreibtischlampe über Computerprogramme bis hin zu Parkscheinautomaten. Um das Verfahren zu erklären, das sich die Wernigeröder aus Richtlinien und Vorgaben des Landes passgenau schneidern mussten, erstellten sie eine Bewertungsrichtlinie. „Wir haben konservativ gerechnet“, betont Torsten Arends.

Unter dem Strich steht die stattliche Bilanzsumme von rund 235,3 Millionen Euro. „Damit ist die Stadt eines der größten Wirtschaftsunternehmen in der Region“, sagt der Berater. In 151 Aktenordnern werden die Aktiva, also das Vermögen der Stadt, und die Passiva beschrieben – das ist Geld, das zur Schaffung dieses Vermögens gebraucht wurde.

Bezahlt hat es die Stadt überwiegend mit eigenem Geld. 134,3 Millionen Euro Eigenkapital sind verzeichnet. „Die Eigenkapitalquote beträgt damit 57,11 Prozent – das ist ein sehr guter Wert“, lobt Torsten Arends, setzt aber hinzu: „Das ist eine rein rechnischerische Größe und sagt nicht immer etwas über die Leistungsfähigkeit einer Stadt aus.“ Mit rund 70,2 Millionen Euro sei der Anteil von Fördergeld und anderen Zuwendungen hoch – zum Vorteil der städtischen Finanzlage. Die Kreditschulden, die die Stadt für Investitionen aufgenommen hat, lägen mit rund 13,5 Millionen im vertretbaren Bereich, so der Berater.

Die Eröffnungsbilanz zeigt den Stand Anfang 2014. „Wir sind der Überzeugung, dass wir gut gewirtschaftet haben“, sagte Gaffert. Mit dem Zahlenwerk habe man eine „sehr gute Basis für die kommenden Jahre“. Wie sich die Finanzen seitdem entwickelt haben, werde erst mit den Jahresrechnungen offenbar, die noch zu schreiben sind. Das wird dauern: Mit der Jahresrechnung 2014 sei zum Beispiel erst im kommenden Jahr zu rechnen, so Mitarbeiterin Kerstin Schattenberg.

Die Bilanz ist heute um 17.30 Uhr in der Ratswaage Thema im Finanzausschuss.