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Fotografie Vis-à-Vis mit liebestollen Hirschen

Die Brunft ist ein einzigartiges Naturspektakel in den Harzer Wäldern. Frank Hebestreit bannt dieses Erlebnis in Bild und Ton.

Von Julia Bruns 12.11.2017, 05:48

Wernigerode l „Sie sind wie Geister, tauchen plötzlich vor einem auf.“ Frank Hebestreit hat eine Leidenschaft, die er mit nicht vielen Menschen teilt – er fotografiert Hirsche, und zwar auf höchstem Niveau. Am liebsten, wenn die Tiere blind vor Liebe sind – in der Brunft. Der 53-Jährige aus Katlenburg-Lindau bei Osterode im Harz verbringt jede freie Minute im Wald. In Tarnkleidung und mit geruchsneutralisierendem Spray benetzt pirscht er sich an die majestätischen Tiere heran, um sie keinesfalls aufzuschrecken. „Die erste Regel lautet: Erst das Wild sehen und unter allen Umständen vermeiden, dass es Dich sieht.“ Erblickt er Rotwild, erstarrt er zur Salzsäule. Dann drückt er vorsichtig ab – auf den Auslöser seiner Kamera. Mit seinen Videos und Fotos begeistert der Lkw-Fahrer mittlerweile knapp 2600 Fans auf Facebook.

Auf der Seite „Harz-Hirsch“ präsentiert Frank Hebestreit seit 2015 die beeindruckenden Ergebnisse stundenlanger Märsche durch den Harzer Wald. Es sind seltene, nahezu intime Aufnahmen, die die Schönheit der Tierwelt rund um den Brocken abbilden. Dafür erntet er viel Anerkennung. „Immer wieder ein optischer Genuss“, „Ich finde Ihre Fotos und Aufnahmen so faszinierend“, „Mittlerweile schaue ich anders in die Natur“, schreiben seine Fans in die Kommentarspalte unter seine Beiträge.

Was fasziniert ihn am Rotwild? „Im August 2013 habe ich die Hirsche bei einer Wanderung zum Brocken zum ersten Mal Röhren gehört“, erinnert er sich. „Das hat mich so gefesselt, dass ich im Jahr darauf auf die Suche nach dem König der Wälder gegangen bin.“ Zunächst nur als stiller Beobachter, später mit der Kamera. Seine Bilder teilte er auf Facebook.

Explodiert sind die Fanzahlen dann 2016, nachdem er mehrere spektakuläre Videos ins Netz gestellt hatte. Eines zeigt einen Kampf zwischen zwei brünftigen Hirschen. Zweimal habe er dieses Schauspiel beobachtet. „Wenn ein Hirsch vor Dir steht und röhrt, ist das der absolute Hammer“, schwärmt Hebestreit. Ab und an sehe er auch Luchse, häufig Füchse. Sogar einen Wolf hat er fotografiert. Das Bild liegt der Volksstimme vor. Selten seien Wildschweine, da die Vegetation rund um den Brocken nicht ideal für die Borstentiere ist.

Majestätische Zwanzigender seien die Ausnahme, faszinieren den 53-Jährigen zwar, sein persönlicher Höhepunkt sei jedoch die Begegnung mit einem alten Hirsch gewesen. „Ein sogenannter Mönch“, sagt Hebestreit. „Er hatte nur noch einen Stummel auf dem Kopf. Er hat sein ganzes Leben im Harz verbringen dürfen, wird irgendwann eines natürlichen Todes sterben können.“

Seit einigen Monaten hat er einen Gleichgesinnten in die Facebook-Seite eingespannt. Sven Dannhauer aus Ilsenburg ist ebenso fasziniert von der Harzer Wildnis. „Wir haben uns beim Fotografieren auf dem Brocken kennengelernt und festgestellt, dass wir die gleichen Interessen haben“, berichtet Hebestreit. Meistens seien sie aber getrennt unterwegs. Mittlerweile verfolgen Menschen aus Indien, China, Norditalien, der Slowakei und dem Alpenraum die Fotos und Filme der beiden Hirsch-Affinen. „Überall dort, wo es auch Rotwild gibt, leben Fotografen und Filmer, die dieselbe Leidenschaft hegen“, sagt er. Viele interessante Kontakte habe er über „Harz-Hirsch“ geknüpft.

Über sein Hobby habe er gelernt, die Tiere einzuschätzen. „Hirsche leben sehr zurückgezogen“, berichtet Frank Hebestreit. „Anders als weibliches Wild, das Kahlwild, das häufig die Futterplätze wechselt.“ Hören könne man sie nur im September zur Brunftzeit. „Dann nehme ich mir extra Urlaub, nur um jeden Tag im Wald zu sein“, sagt er im Volksstimme-Gespräch. „Meine Frau hat zum Glück Verständnis. Sie lässt mir den Freiraum, dafür bin ich sehr dankbar.“

Der Harz sei sehr klein, viele Wanderwege und Pfade würden die Tiere auf ein bestimmtes Terrain zurückdrängen. „Sie sind unheimlich schlau“, sagt er. Mittlerweile kenne er die unterschiedlichen Typen unter den Königen des Waldes: „Es gibt Neugierige, Versteckte, Draufgänger.“ Kahlwild sei im Gegensatz zum Hirsch ständig extrem aufmerksam, registriere jedes Knacken und jede Bewegung. „Es ist auch nicht der Hirsch, der die Herde zusammenhält. Er trampelt nur hinterher“, umschreibt er seine Beobachtung. Rotwild könne nicht gut sehen, das sei ein Vorteil, wenn er sich mit der Kamera auf die Lauer legt. Die Brunft sei die ideale Gelegenheit, Edelhirsche im Harz zu filmen. „Sie sind dann extrem triebgesteuert und vergessen alles um sich herum.“

Die besten Orte, um Rotwild zu sichten, möchte Frank Hebestreit nicht öffentlich verraten. Seine Bilder lassen nur erahnen, dass er in der Region um den Brocken fündig wird. Im Winter gehen die beiden Fotografen übrigens nicht in den Wald. „Wir wollen das Wild auf keinen Fall aufschrecken“, erläutert er.

Frank Hebestreits Fotos hängen passenderweise im Hotel „Weißer Hirsch“. „Das ist eine große Anerkennung meiner Arbeit“, sagt er. Veröffentlicht wurden seine Bilder zudem im Nationalpark-Kalender und in einer Ausstellung im Schloss Herzberg. Er weist daraufhin, dass auch Menschen, die nicht bei Facebook registriert sind, Zugriff auf die Bilder und Videos der Seite haben.

http://www.facebook.de%20/harz-hirsch