1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wernigerode
  6. >
  7. Das Urnen-Rätsel von Schierke

Fund Das Urnen-Rätsel von Schierke

Touristen aus Niedersachsem, eine mysteriöse Urne in der Kalten Bode in Schierke, ein leeres Grab und viele offene Fragen.

Von Ivonne Sielaff 03.08.2019, 01:01

Schierke l Es ist ein warmer Sommertag. Kim Heese und Sohnemann Bjarne suchen Erfrischung in der Kalten Bode, die entlang des Schierker Kurparks vor sich hinplätschert. Während der Fünfjährige im flachen Flussbett spielt, macht sein Vater eine Entdeckung. Im Sonnenlicht blitzt etwas Silbernes im Wasser auf. „Da war meine Neugier natürlich sofort geweckt, und ich wollte wissen, was das ist“, sagt der Niedersachse, der mit seiner Familie seinen Urlaub im Brockenort verbringt. Stück für Stück legt er das Fundstück frei. Bis er erkennt, was er vor sich hat: eine Urne.

„Ich habe mich zuerst gefragt, ob das eine echte Urne ist.“ Das eingravierte Kreuz lässt seine Zweifel schwinden. Was aber nun tun? Der 40-Jährige klopft bei Schierkes Tourist- information an. „Die Frau dort hat mich erst einmal mit großen Augen angeschaut und war ganz perplex. So etwas findet man ja auch nicht jeden Tag.“ Mitarbeiterin Ilona Baxmann verständigt daraufhin das Wernigeröder Ordnungsamt und den Bauhof.

Kim Heese trifft sich kurz darauf mit zwei Männern vom Bauhof, führt sie zu der Fundstelle in der Kalten Bode, wo sie die Urne bergen. „Ich habe noch erfahren, dass die Person 1996 gestorben ist. Das stand in der Urne drin.“ Seither denke er viel über die Urne nach, sagt Kim Heese. „Vielleicht wird sie ja von den Angehörigen gesucht. Und irgendwer freut sich, wenn er sie wieder bekommt.“

Rätselhaft ist auch, wie und wann die Urne überhaupt in die Kalte Bode gelangt ist. „Das lässt sich nicht wirklich sagen“, so Wernigerodes Ordnungsdezernent Christian Fischer auf Volksstimme-Nachfrage. Wo die Urne vorher vergraben war allerdings schon. Die Mitarbeiter der Friedhofsverwaltung hätten die Liegestelle ermitteln können – anhand der eingearbeiteten Nummer. Das Gefäß stammt von einem Gräberfeld des nur wenige hundert Meter entfernten Schierker Bergfriedhofs.

„Die Liegezeit ist seit drei Jahren abgelaufen“, so Fischer. Ob sich nun ein Tier an der Grabstätte zu schaffen gemacht hat, ob die Urne ausgegraben und weggeschleppt oder ob sie durch Bodenerosion freigelegt und vom Regen weggeschwemmt wurde – „das sind Spekulationen“, sagt der Dezernent. „Das ist ein tragischer Einzelfall, zumal wir nicht abschließend klären können, wie es passiert ist.“ Ein Rätsel ohne Lösung also.

Die Urne befindet sich inzwischen wieder unter der Erde, informiert Christian Fischer. „Wir haben sie pietätvoll behandelt“, versichert er. Sie sei auf dem Wernigeröder Zentralfriedhof auf der Grünen Wiese vergraben worden.

Übrigens: Es ist nicht das erste Mal, dass der Fund von sterblichen Überresten in Schierke für Furore sorgt. So entdeckten Bauarbeiter vor vier Jahren bei der Sanierung des Kindergartens zufällig eine Gruft im Boden der Tagesstätte. Die Knochen – so klärte sich später – stammten vom einstigen Pfarrer Urban Fleischer, der vor knapp 300 Jahren unter dem Gebäude begraben wurde. Nicht verwunderlich, der ältere Teil der Kita wurde von 1691 bis 1881 als Kirche genutzt. Auch der Kirchenmann hat wieder Ruhe gefunden. Im Mai wurde Urban Fleischer auf dem Schierker Friedhof beigesetzt.