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Backstube des Derenburgers Werner Tacke verließen täglich 160 Brote und 1 200 Brötchen Geheimes Rezept in Mittagspause besorgt

Von Andreas Bürkner 29.11.2011, 04:27

Gleich zwölf Mal ist gestern der Titel "Diamantener Handwerksmeister" vergeben worden. Unter ihnen waren auch der Blankenburger Maurermeister Otto Beck und der Bäckermeister Werner Tacke aus Derenburg.

Derenburg l Manchmal brauchen Auszeichnungen etwas länger. Obwohl er bereits vor 65Jahren, am 10.September 1946, seinen Meisterbrief erwarb, erhielt Werner Tacke erst gestern den Diamantenen Meisterbrief "für mehr als 60Jahre", wie der Präsident der Magdeburger Handwerkskammer Werner Vesterling betonte.

Im April 1989 schloss der Bäckermeister seinen Laden an der Marktecke in Derenburg, mit 69Jahren. "Zu diesem Zeitpunkt waren wir die einzige Bäckerei in der Stadt", berichten die rüstigen Senioren. Ehefrau Edelgard stand von Beginn an mit im Laden oder in der Backstube.

"Nur die Knie wollen nicht mehr richtig", scheint sich Werner Tacke fast für sein langes, entbehrungsreiches Arbeitsleben entschuldigen zu wollen. "Schließlich mussten wir die Zentner schweren Säcke tragen."

Der Ur-Derenburger absolvierte zwischen 1934 und 1937 seine Lehre, war danach als Geselle in einer Blankenburger Bäckerei. Als sein Chef zum Militär eingezogen wurde, lenkte er die Geschicke so lange allein, bis ihn das gleiche Schicksal traf. Als mehrfach Verwundeter kam er im Januar 1945 zurück in die Heimat, wurde aber wegen seiner Ausbildung zur Heeresbäckerei zwangsverpflichtet.

Mit einem erstaunlichen Gedächtnis kann Werner Schreiber alle Daten seines Werdegangs auflisten. So auch, dass er zwischen dem 1.Mai 1945 und dem 31.März 1950 in verschiedenen Backstuben arbeitete.

Es war kein Aprilscherz, als er am 1.April 1950 in die Selbständigkeit startete und am gleichen Datum 39Jahre später den Ofen ein letztes Mal löschte, mit dem es eine besondere Bewandtnis hat. "Er stammt vom Anfang des 19.Jahrhunderts", weiß er genau. Schließlich zählt der 91-Jährige zu anerkannten Ortschronisten.

Aus dem Ofen wechselten täglich etwa 160Brote und 1 200Brötchen die Besitzer, manchmal sogar zum Ärger der Tochter Ursula: "Wir mussten uns Brot borgen, weil die Eltern wirklich alles verkauft hatten." Dafür fielen nicht nur für die eigenen Kinder schon mal die Kuchenränder ab. "Meine besondere Spezialität war Käsekuchen", erinnert sich Tacke an ein "abgekupfertes" Rezept.

Während der Lehre hatte er sich das streng gehütete Rezept von seinem Meister auf Umwegen besorgt. "Ich habe einfach heimlich in der Mittagspause die Zutaten ausgewogen." Erst viel später verriet er es dem Lehrmeister.

Nicht minder beansprucht waren die Tackes auch während der Karnevalszeit. "Bis zu 2000Pfannkuchen haben wir dann fast täglich gebacken", staunen sie noch heute. Übrigens in dem Haus, das sie seit fast 50Jahren ihr Eigentum nennen.

Noch länger allerdings sind sie verheiratet. Im März 2012 werden es 65 Jahre. Doch daran will Werner Tacke nicht denken. "Im Alter darf man nicht rechnen", sagt er, "sondern jeden Tag nehmen wie er kommt." Doch die Hoffnung bleibt, dass es bald wieder eine große Feier geben wird.