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Geschichte Wernigerodes Fall und Neubeginn

Eine Broschüre zeigt das Ende des Krieges in der Stadt. Geschrieben haben es fünf Autoren vom Förderkreis der Mahn- und Gedenkstätte.

Von Katrin Schröder 23.12.2016, 00:01

Wernigerode l Wernigerode im März 1945: Die Stadt ist überfüllt. Menschen, die vor den Bombenangriffe der Alliierten evakuiert wurden, drängen sich in der Stadt, ebenso Umsiedler, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Die Zahl der Einwohner hat sich von 25.000 auf 50.000 verdoppelt. Was mit all diesen Menschen in den Jahren zwischen 1944 und 1946 geschehen ist, das ist Thema einer neuen Broschüre, die der Förderkreis der Mahn- und Gedenkstätte Veckenstedter Weg vorgestellt hat. „Das Ende eines tiefen Falls“ lautet der Titel des 124 Seiten starken Hefts, das Zusammenbruch und Neuanfang am Ende des Zweiten Weltkriegs beleuchtet.

Wie war das Leben in dieser Zeit? Eines ist gewiss, sagt Ludwig Hoffmann. „Wernigerode war keine Insel der Glückseligen.“ Gemeinsam mit Wolfgang Dannheim, Wolfgang Grothe, Peter Lehmann und Matthias Meißner hat der ehemalige Oberbürgermeister zwei Jahre lang Informationen zusammengetragen und die Texte verfasst. Das Heft gibt einen Überblick über Zusammenbruch und Neuanfang. „So konzentriert gab es das bisher noch nicht“, so Hoffmann.

Dargestellt werden zum Beispiel die politische Situation in der Stadt, Zwangs- und Sklavenarbeit, die Tage um den Einmarsch der Amerikaner am 11. April 1945 und das folgende Chaos in der mit Flüchtlingen und Kriegsversehrten überfüllten Stadt. Ereignisse wie die Bombardierung der Neustadt im Februar 1944 und die Befehlsverweigerung von Oberst Gustav Petri, der die Fachwerkstadt damit vor der Zerstörung rettete, werden eher kurz gestreift, weil sie bereits gut dokumentiert sind.

Raum erhält hingegen das Schicksal der Flüchtlinge, die in Wernigerode untergebracht waren. Wolfgang Grothe haben die Geschichten der aus den ehemaligen Ostgebieten Vertriebenen beeindruckt – ebenso wie der nicht immer freundliche Empfang, den die Alt-Wernigeröder ihnen boten. „Man stellt unwillkürlich die Verbindung zur heutigen Situation her.“

Was die Einwohner, neue wie alteingesessene, bewegte, stand für die Autoren im Mittelpunkt ihres Projekts. „Uns war es wichtig, nicht nur reine Geschichtsschreibung zu betreiben, sondern die Schicksale der Menschen in der Stadt einzubeziehen“, sagt Wolfgang Dannheim.

Dazu recherchierten sie im Wernigeröder Stadtarchiv, sichteten Material aus der Mahn- und Gedenkstätte und befragten Zeitzeugen. „Wir haben viele unterschiedliche Blickwinkel dokumentiert“, sagt Lehmann. Im Archiv sei erstaunlich viel Material aus dieser Zeit erhalten, sagt Ludwig Hoffmann. Aufschlussreich seien die Aufzeichnungen von Bürgermeister Julius von Fresenius. Bis zum Tag seiner Entlassung am 20. April 1945 habe er seine Notizen fortgeführt. „Das sind sind sehr persönliche Sichten“, so Lehmann.

Dennoch sind Lücken geblieben. Über das Leben vieler handelnder Personen sei wenig bekannt. „Die Schicksale der NS-Größen ließen sich nur bis zu dem Tage nachvollziehen, an dem sie ihre Entlassungsurkunde erhielten“, sagt Peter Lehmann. Danach verliert sich oft die Spur.

Die Broschüre ist in einer Auflage von 220 Exemplaren erschienen. Die Gebäude- und Wohnungsbaugesellschaft Wernigerode hat den Druck finanziell unterstützt. Das Heft ist gegen eine Spende in der Mahn- und Gedenkstätte erhältlich.