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Handwerkerschaft Rentner löst Rästel um uralte Fahne

Ein Rentner lüftet jetzt das Geheimnis um das lange verschollene Banner der Wernigeröder Zimmermänner.

Von Holger Manigk 12.01.2017, 00:01

Wernigerode l Jahrzehntelang galt das Innungsbanner der Wernigeröder Zimmermänner von 1899 als verschollen. Das Rätsel um die Fahne, die im vergangenen Jahr zurück zur Kreishandwerkerschaft Wernigerode fand, ist nun gelöst. „Meine Vorfahren haben das Banner zunächst vor dem Naziregime versteckt, dann in der DDR nach Magdeburg geliefert“, sagt Hans-Joachim Trümpelmann. Der Rentner aus Wernigerode hatte die Innungsfahne sofort wiedererkannt, als er den Volksstimme-Artikel „Uraltes Banner gibt Rätsel auf“ las.

„Mein Großvater Ernst Baake war Zimmermann in Wernigerode und in der Gewerkschaft aktiv“, sagt Trümpelmann. Als Kind habe der heute 80-Jährige häufig auf dem Dachboden der Werkstatt seines Großvaters gespielt. „Dabei ist mir irgendwann die prachtvoll bestickte Fahne aufgefallen.“ Da während des nationalsozialistischen Regimes die freien Gewerkschaften in Deutschland verboten waren, hatte Ernst Baake das Banner in Sicherheit gebracht.

Nachdem Trümpelmanns Großvater 1941 während des Zweiten Weltkriegs verstarb, habe seine Mutter das Zimmermannsbanner versteckt unter ihren Sachen vom Monopol-Haus in der Sägemühlengasse in die Bachstraße 22 transportiert – und dort auf dem Holzboden versteckt. „1950 habe ich die Fahne dort gut verpackt wiedergefunden“, berichtet Hans-Joachim Trümpelmann.

In der DDR habe seine Mutter – Magdalene Trümpelmann, gebürtige Baake – die Fahne schließlich bei der Kreisverwaltung des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) in der Salzbergstraße abgegeben. Von dort wurde sie in die FDGB-Bezirkszentrale nach Magdeburg geliefert, wo die Fahne der Wernigeröder Zimmermänner die nächsten Jahrzehnte unbemerkt überdauerte. Magdalene Trümpelmann starb 1992.

Erst im vergangenen Jahr entdeckte Diana Sommer das Banner der Harzer Zimmerleute in Magdeburg wieder. Die Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Elbe-Börde sagte: „Bei einer Aufräumaktion in unseren Räumen ist mir die Wernigeröder Fahne in die Hände gefallen.“

Sie brachte das historische Stück Stoff zurück an seinen angestammten Platz – zur Kreishandwerkerschaft Wernigerode. Deren Geschäftsführer Andreas Heine sprach damals von einem „historischen Moment“.

Heine sagte bei der Übergabe, er könne nicht ergründen, wie das Seidenbanner in die Landeshauptstadt gelangt war. „Altmeister, die sich schon seit einigen Jahren im Ruhestand befinden, können sich nicht daran erinnern“, berichtete Heine bei der Rückführung der Fahne.

Auf dem prunkvollen Seidenrechteck sind neben dem Schriftzug „Es lebe die Zimmerkameradschaft Wernigerode“ und traditionellen Werkzeugen des Gewerbes – wie Beil und verschiedenen Sägen – die Jahreszahlen 1799 und 1899 eingestickt. Somit sei das gelbliche, mit Fransen besetzte Stoffstück fast 120 Jahre alt, schlussfolgerte Andreas Heine.

Auf der Rückseite der Flagge prangen neben einem großen Reichsadler mit Kaiserkrone die Worte „Gott schütze das Zimmerhandwerk“. Die zur Fahne gehörende Schärpe ziert der Schriftzug „Gewidmet von den Frauen des Zimmervereins zum 100-jährigen Jubiläum“.