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Humanitäre Hilfe Im Urlaub rettet sie Leben

Der 19. August ist Welttag der Humanitären Hilfe. Ulrike Marcinkowski aus Wernigerode berichtet von ihrer Arbeit in Äthiopien.

Von Uta Müller 20.08.2017, 11:17

Wernigerode l Ulrike Marcinkowski aus Wernigerode verbringt ihre Urlaubstage in einer der ärmsten Regionen der Welt. Freiwillig und um zu helfen. Im Attat-Hospital in Äthiopien rettet die Krankenschwester Leben und bringt auch neues Leben auf die Welt.

Für diesen ungewöhnlichen Einsatz ist Schwester Ulrike 2002 das erst Mal nach Äthiopien gereist – für sie eine ganz neue Welt. Normalerweise arbeitet sie als Kinderkrankenschwester im Harzklinikum Wernigerode. Am Flughafen Frankfurt am Main beginnt damals ihre Reise. In der Zwischenzeit ist sie schon viele Male in das ostafrikanische Land geflogen. Die Koffer voll mit dringend benötigten Medikamenten, Operationsbesteck und Verbandsmaterialien.

Ihr Einsatzort ist Attat – ein kleines Dorf rund 200 Kilometer südwestlich der Hauptstadt. Der Weg dorthin führt über Schotterpisten mit Staub und Hitze. Kein Fax, kein Telefon, dafür üppige Natur und darin verteilt immer wieder kegelförmige, braune Gebilde. „Das sind die sogenannten Tukuls, grasgedeckte Holzhütten, wo in einem einzigen, teilweise notdürftig abgeteilten Raum Familien in mehreren Generationen zusammenleben“, berichtet die Krankenschwester.

Etwas entfernt von den kleinen dörflichen Ansiedlungen befindet sich das Krankenhaus. Männer, Frauen, Kinder, alle in einem Saal. Die Bettsäle reichen oft nicht aus für die vielen Patienten. Selbst die Angehörigen, die die Erkrankten mit Essen versorgen, übernachten neben den Betten.

Vor der benachbarten Ambulanz warten Kranke auf Behandlung. Viele sind, einen großen Teil der Familie im Schlepptau, von weit her gekommen, haben oft ganze Tagesmärsche hinter sich und verbringen die Nacht im Freien vor der Ambulanz.

„German Sister Uli“, deutsche Schwester Uli, wie die 62-Jährige liebevoll genannt wird, ist im stationären sowie im ambulanten Bereich des Hospitals tätig. Sie hilft bei Geburten und als OP-Schwester bei Kaiserschnitten. Dass Leben und Tod nahe beieinander sind, hat sie in Attat oft erlebt. Auf der einen Seite liegt die Mutter nach einem Kaiserschnitt glücklich mit ihrem Neugeborenen im Bett, während eine andere Mutter die Geburt ihres Kindes nicht überlebt.

Besonders eingeprägt hat sich bei ihr der erbärmliche Zustand einiger Patienten. Da an offenen Feuerstellen gekocht wird und die Kleidung beim Anzünden mit Kerosin leicht Feuer fängt, kommen häufig Verbrennungsopfer ins Krankenhaus nach Attat, vor allem Kinder. Patienten mit Malaria, Tumoren und akuten Bauchproblemen werden ebenfalls versorgt.

Die gelernte Kinderkrankenschwester fährt auch mit einem Hilfsteam in die umliegenden Dörfer, um dort bei den Aufklärungskampagnen über Hygiene, Malaria und Aids teilzunehmen. Während ihrer Arbeit hat sie viele persönliche Schicksale kennengelernt. Aus diesen Erfahrungen entstand die Idee, einer alleinstehenden Mutter mit sechs Kindern zu helfen. „Eine Kuh für Afrika“, lautete der Name des Hilfsprojekts. Durch Spenden ist es möglich, der Familie eine Milchkuh zu kaufen.

Bis heute ist Ulrike Marcinkowski Patin der Drillinge „ihrer afrikanischen Familie“, wie sie sagt. Und in vielen Fällen ist es Schwester Ulrike, ihren mitreisenden Kollegen sowie dem Ärzte- und Pflegerteam möglich, ein wenig Freude und Hoffnung zu verbreiten.

Anfangs hat nicht jeder in ihrem Familien- und Bekanntenkreis Verständnis für ihre Arbeit in Äthiopien gehabt. „Du kannst doch nicht die ganze Welt retten“, haben auch Kollegen gesagt. Das ist der 62-Jährigen bewusst und fügt hinzu: „Durch meine Arbeit kann ich die Welt aber ein klein wenig verbessern und viele Menschen glücklich machen.“

Neben dem Einblick in das unter ganz anderen Voraussetzungen arbeitende äthiopische Gesundheitssystem ist es für Schwester Ulrike vor allem die Begegnung mit den Menschen, die in ihr tiefe Spuren hinterlassen: Die Herzlichkeit und das gegenseitige Umarmen, wenn man sich trifft, und vor allem die Dankbarkeit, die einem entgegengebracht wird, berühren die Wernigeröderin jedes Mal aufs Neue.

Das Harzklinikum Wernigerode unterstützt seit vielen Jahren das Attat-Hospital in Äthiopien. Neben Geld, dem Austausch und der Reparatur von medizinischen Geräten, erhalten die Mitarbeiter des Hospitals Möglichkeiten zur Aus- und Weiterbildung im Harzklinikum.

Übrigens: Die nächste Reise in das afrikanische Land plant die 62-jährige Kinderkrankenschwester im Herbst 2018, dann ist sie Rentnerin.