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Integration Brückenbauer aus Überzeugung

Samir Sido bringt aus Syrien im Auftrag des Fördervereins der Wernigeröder Johannisgemeinde Einheimische und Ausländer zusammen.

Von Katrin Schröder 08.11.2016, 00:01

Wernigerode l Im Luthersaal der Wernigeröder Johannisgemeinde geht es zu wie im Taubenschlag. Besucher treten ein, schütteln Hände, es wird viel geredet und gelacht. Das „Café International“ ist ein Treffpunkt für Einheimische und Ausländer. Mittendrin im Trubel: Samir Sido. Der Syrer lebt seit März in Wernigerode und arbeitet im Auftrag des Fördervereins St. Johannis seit Kurzem als „Brückenbauer“.

So heißt das Vorhaben, das der Verein angestoßen hat. „Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, sozialdiakonische Projekte zu fördern“, sagt die Vorsitzende Birgit Burckhardt. Mit finanzieller Unterstützung der Landeskirche soll der „Brückenbauer“ im Auftrag des Vereins ein Jahr lang hauptamtlich Kontakte zwischen Deutschen und Ausländern fördern sowie die Flüchtlingshilfe der Gemeinde mitorganisieren.

Mit Samir Sido haben die Gemeindemitglieder einen idealen Kandidaten für den Posten gefunden. Der 33-Jährige ist Musiklehrer und stammt aus Aleppo. Nach dem Studium in Homs kehrte er in seine Heimatstadt zurück, wo er an einer Schule arbeitete und ehrenamtlich Kinder in einem kurdischen Kulturzentrum unterrichtete. Über die Balkanroute flüchtete er im vergangenen Jahr nach Deutschland, Ende August er in die Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber (ZAst) in Halberstadt und zog dann nach Wernigerode um, wo er mit seiner Schwester zusammenlebt.

Im Harz fühlt er sich wohl, hat inzwischen viele Menschen kennen gelernt. Aus Erfahrung weiß er aber: „Wenn man als Ausländer in eine Stadt kommt, dann braucht man Hilfe.“ Diese Unterstützung will er nun Neuankömmlingen bieten – nicht nur Flüchtlingen, sondern auch anderen, die neu im Land und in der Stadt sind. Seinen Auftrag beschreibt Sido in einfachen Worten. „Wir fragen immer: Was braucht Ihr?“

Pfarrerin Heide Liebold freut sich darüber, dass jemand diese Aufgabe übernimmt, der nicht nur kommunikativ ist und auf Menschen zugehen kann, sondern auch über viele Kontakte zu Ausländern in Wernigerode verfügt. „Er ist immer auf dem Laufenden, weiß als erster, wer angekommen ist und Unterstützung braucht“, sagt sie. Denn Helfer gebe es genug, doch wenn sie nicht wüssten, wer sie braucht, laufe ihr Engagement ins Leere.

Zu Samir Sidos Aufgaben gehört es außerdem, das „Café International“ zu organisieren, das einmal pro Monat Gäste aus aller Herren Länder in den Luthersaal einlädt. In der Gemeinde fühlt er sich wohl. „Es ist wie in einer Familie. Ich bin zwar kein Christ, aber ich bin hier immer willkommen“, berichtet der Brückenbauer.

Wichtig sei, dass man mit den Menschen reden könne. „Wir müssen Deutsch lernen und sprechen. Ohne Sprache können wir hier nicht leben und arbeiten“, sagt Samir Sido. Dies beherzigt er selbst geradezu vorbildlich. „Als er zu uns kam, konnte er nichts. Er hat bei Null angefangen“, sagt seine Lehrerin Anke Oberth, die bei der Akademie Überlingen Deutschkurse für Ausländer gibt. Inzwischen ist der Syrer und Kurde Kursbester und hat die Prüfung für die Niveaustufe B 1bestanden. Die Zeit als Brückenbauer will er nutzen, um seine Sprachkenntnisse zu verbessern und seinem Traum ein Stück näherzukommen – in Deutschland als Musiklehrer zu arbeiten. Seine Lehrerin glaubt an ihn. Samir Sido gehe ohne Scheu auf Menschen zu, sagt Sabine Oberth. „Er geht seinen Weg, er schafft das. Da bin ich ganz sicher.“