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Harz Übernachten wie einst im Wilden Westen

Geschäftsführer Wolfgang Hagenberger hat mit Fort Bent einen Handelsposten aus dem Wilden Westen in Pullman City in Hasselfelde nachgebaut.

Von Katrin Schröder 21.08.2020, 01:01

Hasselfelde l Auf dem Turm weht die amerikanische Flagge im Wind, durch das Tor gehen Besucher und bestaunen eine Anlage, die ihrem historischen Vorbild fast aufs I-Tüpfelchen gleicht. „Fort Bent“ steht über dem Eingang – der historische Handelsstützpunkt im Wilden Westen diente als Vorbild für die neue Unterkunft in der Westernstadt Pullman City. Die Einweihung des Neubaus begehen Geschäftsführer Wolfgang Hagenberger und seine Mitarbeiter am Sonnabend  (22. August) gemeinsam mit Ehrengästen wie Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) und dem künftigen Harzer Landrat Thomas Balcerowski (CDU).

Seine Pforten hat Fort Bent allerdings schon seit Anfang Juli geöffnet. Kurz zuvor, Ende Juni, wurden nach gut eineinhalb Jahren Bauzeit die Arbeiten an der rund 1200 Quadratmeter großen Anlage abgeschlossen. Sie beherbergt 170 Übernachtungsplätze in 36 Zimmern, die jeweils über vier oder sechs Etagenbetten verfügen. Diese werden preisgünstig vermietet. „Das soll ein Low-Budget-Angebot für Gruppen und Vereine sein“, erklärt der Westernstadt-Chef.

Die Zimmer gruppieren sich auf zwei Etagen rund um einen Innenhof mit Arkadengängen.Darin befinden sich die gemeinschaftlich genutzten Duschen und Toiletten. In der Mitte des Hofes steht ein gemauerter Grill, der wie ein historischer Brunnen gestaltet wurde. Eine kleine Sonderausstellung zur Geschichte Pullman City, die zum 20-jährigen Bestehen der Westernstadt zusammengestellt wurde, ist in einem der Gänge untergebracht. Sie wird noch mindestens bis Ende des Jahres gezeigt, erklärt Manager Alex Remy.

Wolfgang Hagenberger ist stolz auf das neue Gebäude. „In Europa gibt es das noch nicht.“ Der Chef der Westernstadt war mehrmals vor Ort, um sich das Original anzusehen: Fort Bent, 1833 errichtet am Nordufer des Arkansas River, im Südosten des heutigen Bundesstaates Colorado, diente einst als Handelsposten und Treffpunkt für Trapper, Siedler und Cheyenne-Indianer.

Am Santa Fe-Trail, einer viel befahrenen Handelsroute, wurde es rasch zur wichtigsten Niederlassung, die Händler, Siedler und andere Reisende mit Gütern versorgte, die sie zum Überleben in der Wildnis brauchten. „Das war eine richtige kleine Enklave mit allem, vom Bäcker bis zum Schmied“, sagt Hagenberger. Zudem gab es dort Unterkünfte für Reisende.

Im Westen war Fort Bent die einzige derartige Anlage in Privatbesitz. „Das war etwas Besonderes“, so der Geschäftsführer. Nach dem mexikanisch-amerikanischen Krieg (1846 - 1848) verlor der Handelsposten jedoch an Bedeutung. Besitzer William Bent, der erfolglos versuchte, das Fort an die US Army zu verkaufen, brannte es schließlich aus Verzweiflung nieder. 1960 wurde es archäologisch untersucht und zur „National Historic Landmark“ erklärt. 1976 erfolgte der Wiederaufbau nach historischen Zeichnungen. Heute befindet sich im Fort ein Museum zur Frühzeit des Wilden Westens. Ursprünglich war das Fort aus Lehmziegeln erbaut worden. Das kam für den Nachbau im Harz nicht in Frage. „Natürlich mussten wir uns dem deutschen Baurecht unterwerfen“, so Hagenberger. Speziell für das Beherbergungsgewerbe gebe es strenge Brandschutzauflagen, die zu erfüllen sind. „Zudem mussten wir wegen der Statik ein wenig von den Originalmaßen abweichen.“

Dennoch entsprechen Größe und Aussehen weitgehend dem historischen Vorbild, versichert der Westernstadt-Chef. In seinem Konferenzraum steht seit vier Jahren ein maßstabsgetreues Modell von Fort Bent, das als Vorbild für die Planungen diente. Allerdings hat das Harzer Fort nur einen runden Turm – statt zwei, wie das Wildwest-Original, um Aufwand und Kosten zu begrenzen. 1,7 Millionen Euro hat Hagenberger in den Nachbau investiert, mit Unterstützung des Landes, das Fördergeld zuschoss. Noch sieht das Harzer Fort so neu aus, wie es nun mal ist. Aber Wolfgang Hagenberger hofft, dass sich das mit der Zeit ändert. „Noch ein, zwei Jahre, dann wird die Anlage eine gewisse Patina und damit noch mehr Charme und Flair gewinnen“, ist er sicher.

Die neue Anlage ersetzt das Fort William Clarke, dessen Vorbild in Albuquerque/New Mexico steht und das bisher als Unterkunft zum Beispiel für Jugendgruppen, Fußballvereine und Kegelclubs diente. Es war mit der Eröffnung des Freizeitparks vor 20 Jahren in Betrieb genommen worden und bot rund 100 Betten in Zwölfer-Zimmern. Dem Holzbauwerk haben die Harzer Witterung und der Zahn der Zeit sichtbar zugesetzt. „Das werden wir Schritt für Schritt zurückbauen“, kündigt Wolfgang Hagenberger an.

Dort, wo sich das alte Fort noch befindet, sollen Zeltplätze und Lagerfläche für die Hobbyisten entstehen, die sich fest in Pullman City eingemietet haben, um ihrer Liebe zum Wilden Westen zu frönen.

Das neue Fort Bent werde „schon ganz gut angenommen“, bilanziert Wolfgang Hagenberger nach rund sechs Wochen Betrieb. Inzwischen habe sich herumgesprochen, dass die neuen Unterkünfte verfügbar sind. „Ab nächster Woche sind wir ausgebucht.“

Angesichts der derzeit großen Nachfrage und der langen Corona-Pause werde die Westernstadt länger als sonst Gäste empfangen. „Wir wollen dieses Jahr zum ersten Mal den ganzen November über öffnen“, kündigt Hagenberger an. Dann werde es zwar voraussichtlich keine Shows mehr geben. Geplant sei aber Live-Musik an den Wochenenden, die Indoor-Spielwelten, die Außenspielplätze und wahrscheinlich die Museen sollen öffnen.

Dies sei ein Versuch, nicht nur, um die voraussichtlich siebenstelligen coronabedingten Verluste aufzufangen, sondern auch mit Blick auf die rund 60 Mitarbeiter, die zwei Arbeitsmonate in der Saison verloren hätten. „Wenn wir am Ende eine schwarze Null schreiben, bin ich hochzufrieden“, so Hagenberger.