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Jubiläum Hilfe für Urlaub ohne Barrieren

Die Aura-Pension in Wernigerode ist die älteste Kur- und Erholungseinrichtung für Blinde in Deutschland. Nun feiert sie 100. Geburtstag.

Von Katrin Schröder 26.01.2017, 00:01

Wernigerode l Auf den ersten Blick ist die Aura-Pension eine Herberge, wie es in der Touristenstadt Wernigerode viele gibt. Doch viele Gäste sind mit dem Blindenstock in der Hand oder einem Blindenhund an der Leine unterwegs. Die Aura-Pension ist die älteste Kur- und Erholungseinrichtung für Blinde und Sehbehinderte in ganz Deutschland. Am heutigen Donnerstag begeht sie mit einem Festakt im Wernigeröder Rathaus ihr 100-jähriges Bestehen.

Christian Winzerling leitet das Haus seit acht Jahren. „Wir sind eine ganz normale Pension mit einem besonderen Klientel.“ Es sind die Kleinigkeiten, die den Unterschied ausmachen. In der Aura-Pension wird nichts dem Zufall überlassen – nicht einmal die Farbe der Lichtschalter. „Die schwarze Einfassung hilft Sehbehinderten, den Schalter wahrzunehmen“, sagt Winzerling.

Wer hell und dunkel unterscheiden kann, kann sich außerdem an kontrastfarbigen Teppiche in den Fluren und zweifarbigen Treppenstufen orientieren. An den Treppenabsätzen sind Rüttelbleche montiert, Handläufe ziehen sich an allen Wänden entlang. Beim Essen gehen die fünf Mitarbeiter den Gästen hilfreich zur Hand. Auf den Zimmern gibt es Notfalltelefone mit großen Tasten. „Doch die werden kaum benutzt. Heutzutage hat jeder ein Handy“, sagt Winzerling.

20 Zimmer stehen zur Verfügung, 14 davon im Haupthaus am Amelungsweg und sechs im Gartenhaus Am Großen Bleek. 31 Betten vermietet die Aura-Pension überwiegend an Blinde oder Sehbehinderte, die Harz Urlaub machen. Es ist eine von fünf derartigen Einrichtungen deutschlandweit.

Von anderen Urlaubern unterscheidet die Touristen in der Aura-Pension im Grunde wenig, sagt Christian Winzerling. „Unsere blinden und sehbehinderten Gäste tun alles, was unsere anderen Gäste auch unternehmen.“ Das Haus organisiert zum Beispiel Führungen im Schloss Wernigerode, die an die Belange der Sehbehinderten angepasst sind. „Das läuft super“, lobt Winzerling. Da werden schon einmal Absperrungen geöffnet, damit die Gäste Gegenstände berühren und ertasten können. Auch im Flugzeugmuseum und im Schaubergwerk hat man sich auf die Gäste der Aura-Pension eingestellt.

„Außerdem bieten wir Seminare und Kurse an“, berichtet Christian Winzerling. Die Teilnehmer lernen in Wernigerode die Punktschrift sowie die Punktnotenschrift, die nicht in der Schule gelehrt wird.

Der Blindenverband Sachsen-Anhalt hält im Haus Lehrgänge für neue Mitglieder ab. RBA lautet die Abkürzung dafür – Rehabilitation zur Bewältigung des Alltags. „Es ist ein großer Unterschied, ob man von Geburt an erblindet ist oder dies im Lauf des Lebens geschieht“, weiß Winzerling. Die Teilnehmer lernen zum Beispiel, wie man Münzgeld erkennt, wie man sich einen Kaffee einschenkt und welche Hilfsmittel es gibt.

Zweimal im Jahr findet eine Musikwoche in der Aura-Pension statt. „Das bieten wir seit vielen Jahren an, das ist sehr gefragt“, sagt der Pensionsleiter. Zum 100. Geburtstag bringt ein Chor aus musikalischen Pensionsgästen im Rathaus ein Ständchen dar.

Bereits am 4. Oktober 1915 hat der Reichsdeutsche Blindenverband in der Pension „Waldheimat“ einen Erholungsbetrieb für Blinde eingerichtet. Mitte 1917 ist die Einrichtung in den Amelungsweg 6 übersiedelt. 1925 kam das Gartenhaus Am Großen Bleek 46 hinzu. 1930 hat der Verband das Nachbargrundstück am Amelungsweg übernommen und ein Bettenhaus mit 30 Plätzen neu errichtet.

Im Sommer diente das Haus der Erholung, im Winter wurden Blinde ausgebildet. 1945 konfiszierten die sowjetischen Besatzer das Heim, das ab 1951 wieder als Blindenkurheim fungierte. Bis 1990 wurden dort dreiwöchige Kuren angeboten. Das Blindenförderungswerk Sachsen-Anhalt, heute Lewida GmbH, sanierte bis 2002 das Bettenhaus imAmelungsweg. Das Gartenhaus wurde im Jahr 20154 rekonstruiert.