1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wernigerode
  6. >
  7. Vergeigte Saison für Musik-Herberge

EIL

Tourismus Vergeigte Saison für Musik-Herberge

Die Jugendherberge in Wernigerode ist aktuell nur zur Hälfte belegt. Die Corona-Krise hat heftige Einbrüche bei den Übernachtungen beschert.

Von Ivonne Sielaff 21.08.2020, 01:01

Wernigerode l Gitarrenklänge hallen durch die Fenster. Mit 31 Musikern hat das Bundesjugendzupforchester in Wernigerodes Jugendherberge Quartier bezogen. Für Herbergschef Lutz Meier ist das ein Segen. „Das ist die erste Musikgruppe, die wir seit der Corona-Pause bei uns haben.“ Seit gut 21 Jahren führt er das Haus auf dem Eichberg. Eine Krise wie diese haben er und seine Mitarbeiter bislang nicht erlebt.

Nur etwa zur Hälfte ist das 268-Betten-Haus derzeit belegt. Neben den jungen Orchestermusikern, die eine Woche lang im Musikhaus der Herberge proben, sind es vor allem Familien mit Kindern, die ein Zimmer gebucht haben.

Die Auswirkungen der Pandemie haben die Tourismusbranche im ganzen Harz in die Knie gezwungen. Über zwei Monate Zwangspause, in denen die Einnahmen gleich Null waren, Rechnungen aber weiter ins Haus flatterten. Inzwischen sind viele Häuser zwar wieder geöffnet, dürfen unter strengen Hygieneauflagen wieder Gäste empfangen. Von Normalbetrieb kann dennoch keine Rede sein.

Das kann Lutz Meier bestätigen. „Für dieses Jahr hatten wir wahnsinnig gute Vorausbuchungen.“ An die 45.000 Übernachtungen zählt Sachsen-Anhalts bestbesuchteste Jugendherberge in einem normalen Jahr. „Auf diesem hohen Niveau fahren wir seit 15 Jahren.“ Was die Einrichtung in Wernigerode von anderen Herbergen unterscheidet, ist das musikalische Konzept des Hauses. „Wir arbeiten hauptsächlich mit Musikgruppen und Chören.“ 12 Proberäume, drei Bühnen und sogar ein eigenes Tonstudium - Musiker hätten in der Herberge beste Voraussetzungen für ihre Probenlager. „Die Ensembles buchen ein bis zwei Jahre im Voraus bei uns.“ Normalerweise nächtigen jedes Jahr über 100 größere Gruppen in der Jugendherberge. Darunter hochkarätige Ensembles.

Doch das sei nun alles weggebrochen. Ebenso wie Schulklassen auf Klassenfahrten - die zweite große Säule der Jugendherberge. Während der Zwangspause hätten etliche Stornierungen abgearbeitet werden müssen. „Es ist schon heftig, wenn man zusehen muss, wie alles zusammenbricht.“ Lutz Meier rechnet mit einem Einbruch um 50 Prozent bei den Übernachtungen. „Finanziell gesehen ist das eine Katastrophe.“

Inzwischen sei das 17-köpfige Team aber wieder optimistischer gestimmt. „Der Juli und der August sind ganz gut gelaufen“, schätzt Lutz Meier ein. Viele Familien hätten kurzfristig für den Sommer gebucht. Das sei aber schon immer so gewesen. „Im Moment profitieren wir davon, dass viele Deutsche ihren Urlaub im eigenen Land verbringen wollen.“

Für die Mitarbeiter bedeutet die Beherbergung in Corona-Zeiten einen größeren Aufwand: andere Laufwege, ständig desinfizieren, arbeiten mit Mundschutz. Was den Herbergschef freut: Seine Mitarbeiter würden in der schwierigen Zeit alle „super mitziehen“ - auch wenn sie nach wie vor verkürzt arbeiten. Mehr würden die Übernachtungszahlen derzeit nicht hergeben.

Was am meisten an ihm und seinem Team nagt: „Wir wissen nicht, wie es weiter geht“, sagt Lutz Meier. „Schulklassen können wir abschreiben. Die kommen dieses Jahr wenn überhaupt, nur vereinzelt.“ Auch was die Buchungen der Musiker betreffe, herrsche nach wie vor Unsicherheit. Für die nächsten Monate seien zwar einige Ensembles angemeldet. „Aber wer weiß, ob die kommen.“ Chöre dürften nach wie vor nicht proben - und Auftritte seien kaum möglich. „Wir müssen eben abwarten“, sagt Meier.

Einen Lichtblick gibt es für das Team der Wernigeröder Jugendherberge. „Für 2021 und 2022 sind wir schon hervorragend gebucht.“ Falls die nächste Corona-Welle nicht wieder alles zunichte macht. Das wäre für Meier das Schlimmste, was passieren kann. „Am liebsten wäre uns, wenn alles so weiter läuft - wenn auch reduziert.“