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Katastrophenschutz Weniger Rohre, mehr Raum für Flut

Wernigerode soll ein Hochwasserschutzkonzept bekommen. Darin sollen die Erfahrungswerte aus dem Starkregen Anfang Juni einfließen.

Von Katrin Schröder 21.09.2016, 10:12

Wernigerode l Überschwemmte Straßen, Keller voller Wasser und ein Sturzbach, der seinem Namen alle Ehre macht: Der Starkregen vom 2. Juni hat Wernigerode in Aufregung versetzt. Die Stadtverwaltung zieht nun ihre Schlüsse aus den Ereignissen und bereitet ein Hochwasserschutzkonzept vor. Darüber sind am Montagabend die Mitglieder des Bau- und Umweltausschusses informiert worden.

25 Straßen hat der Starkregen am 2. Juni besonders in Mitleidenschaft gezogen, erklärte Wernigerodes Bauamtsleiter Jörg Völkel. Rund 70 000 Euro Schaden verzeichnet die Stadtverwaltung, vor allem in Hasserode, dem Mühlental und in Benzingerode. „In den Gewässern erster Ordnung wie Holtemme und Bode gab es keine großen Probleme“, so Völkel.

Über die Ufer traten vielmehr Bäche und Gräben. Als problematisch erwiesen sich Übergänge, an denen offene Bachläufe in unterirdische Rohre fließen. Durchlässe verstopfen, Gitter werden zur Barriere. „Diese setzen sich schnell mit Ästen und Geröll zu“, sagte Ulrich Eichler, städtischer Umweltbeauftragter und Vorsteher des Unterhaltungsverbandes Ilse-Holtemme. „In einem Fall war sogar ein Handtuch drin“, so Völkel. Dadurch staute sich das Wasser – zum Beispiel am Sturzbach, der sich am 2. Juni über die Trift bergab bis zur Friedrichstraße ergoss.

Bewährt haben sich hingegen Flachrechen aus Metall, wie sie im Nesseltal installiert sind, berichtete Eichler. „Wenn der Durchlass dort verstopft gewesen wäre, hätte dies den gesamten Hasseröder Ferienpark unter Wasser gesetzt.“ Solche Rechen sollten überall eingesetzt werden. Nötig wäre ferner, die Forstwege mit Seitengräben zu versehen – denn wo sie fehlen, werde bei Starkregen der Weg selbst zum Bach.

Zu kleine Rohre waren das Problem am Kaxgrundbach in Benzingerode. Hier haben Unterhaltungsverband und Stadtverwaltung bereits gehandelt. „Die Sanierung ist abgeschlossen“, sagte Nadja Effler-Scheruhn, Geschäftsführerin des Unterhaltungsverbandes. In Hasserode sollen 2017 bauliche Mängel beseitigt werden.

Neben dem Altstadtkreisel und der Unterführung am Veckenstedter Weg steht zudem die Zaunwiese im Blickpunkt. „Dort ist die tiefste Stelle im Stadtgebiet, das ist schon immer ein Problem“, sagte Annette Kimmerle vom Wasser- und Abwasserzweckverband (WAHB). Davon können Gabriele und Horst-Dieter Herfurth ein Lied singen. Die Anwohner der Zaunwiese kämpfen seit fast 30 Jahren mit Überschwemmungen. Drei- bis viermal pro Jahr steht ihr Keller unter Wasser. „Werkzeug oder andere Dinge können wir nur auf Regalen in sicherer Höhe lagern“, sagt Gabriele Herfurth. Weder Rückstauklappen noch Sandsäcke halten das Wasser fern. Auf der Straße vor ihrer Haustür drückt das Wasser häufig die Gullydeckel hoch: „Das ist für Autofahrer gefährlich“, sagte Horst-Dieter Herfurth. Am 2. Juni wurde der Anbau überschwemmt, den die Herfurths noch nicht fertiggestellt hatten. „Das war für mich der Anlass, persönlich an den Oberbürgermeister zu schreiben“, so die Wernigeröderin. Es folgten Gespräche mit der Stadtverwaltung, dem Unterhaltungs- und dem Abwasserzweckverband über mögliche Verbesserungen. „Wir sind optimistisch, dass sich etwas tut“, sagten die Herfurths am Rande der Ausschusssitzung.

Das bestätigt Annette Kimmerle vom WAHB. „Wir haben ein Grundstück gefunden, auf dem ein neues Rückhaltebecken entstehen könnte“, sagte die Fachbereichsleiterin Technische Konzeption. Ein Antrag liege der Stadtverwaltung vor.

Dem Wasser Raum zu schaffen, sei besser als es abzuleiten, erklärte Bauamtschef Jörg Völkel – denn es gebe immer Mengenbegrenzungen und Behörden, die grünes Licht geben müssten. Flüsse und Bäche sollten naturnah fließen, sagte Siegfried Siegel (SPD). „Wo es möglich ist, sollten Rohre verschwinden.“ Anwohner sollen als Gewässerpaten ein wachsames Auge auf Flüsse und Bäche vor ihrer Haustür haben.

Ihre Hausaufgaben wollen Stadtverwaltung und Unterhaltungsverband in einem Hochwasserschutzkonzept für Wernigerode und die Ortsteile niederschreiben. Derzeit wird der Förderantrag für das 95 000 Euro teure Vorhaben vorbereitet, gerechnet wird mit 80 Prozent Zuschuss. Zudem plant die Hochschule Harz ein weiteres Projekt, um die Zusammenarbeit der vielen beteiligten Behörden und Institutionen zu verbessern. Ein Mitarbeiter würde sich drei Jahre lang um die Koordination kümmern, erklärt Nadja Effler-Scheruhn.

Wenn wie am 2. Juni in zweieinhalb Stunden 70 Liter Regen pro Quadratmeter niederprasseln, sei hundertprozentiger Schutz jedoch nicht möglich, so Jörg Völkel. „Für solche Ereignisse sind die Anlagen nicht gerechnet.“