Kindergarten 70 Jahre im Hummelflug

Anlässlich des 70. Geburtstags des „Nöschenröder Hummelhauses“ hat die Volksstimme in der Chronik der Einrichtung geblättert.

Von Ivonne Sielaff 24.08.2017, 01:01

Wernigerode l Die Hummelkinder des „Nöschenröder Hummelhauses“ wuseln in diesen Tagen noch flinker als sonst über das Gelände. Mit Luftballons und Girlanden schmücken sie den Kindergarten im Wernigeröder Zwölfmorgental für die Geburtstagsfeierlichkeiten. Nicht nur die Mädchen und Jungen helfen bei den Vorbereitungen. Die Eltern treffen sich seit einem Jahr, um mit Leiterin Dorothee Gerlach die Festwoche vom 4. bis 8. September sowie die große Geburtstagsfeier am 16. September zu organisieren, Ideen zu sammeln, Sponsoren zu suchen.

Vor 70 Jahren wurde die Einrichtung eröffnet. Generationen von Wernigeröder Kindern sind hier betreut worden, sind über das Spielgelände getobt, haben im angrenzenden Wald die Natur kennengelernt. Doch aller Anfang war schwer, auch daran soll während der Feierlichkeiten erinnert werden.

1947 war Nachkriegszeit, es wurden Arbeitskräfte benötigt. „Das waren vor allem die Frauen, denn viele Männer waren im Krieg geblieben“, sagt Annette Klaue, die in der Stadtverwaltung für die Kindertagesstätten zuständig ist. „Die Mütter gingen arbeiten, die Kinder mussten betreut werden.“ In der Chronik des Hauses heißt es dazu: So „übergab das damalige Sozialamt, dem Antifa-Aufruf ‚Rettet die Kinder‘ folgend, drei Räume, eine Küche im Waschhaus und eine Außentoilette zur Nutzung als Kindergarten.“ 30 Mädchen und Jungen konnten in der Gaststätte „Schützenhaus“ aufgenommen werden, drei Kräfte waren tätig.

Sicherlich sei es nach dem Krieg eine Herausforderung gewesen, Möglichkeiten und Angebote zu schaffen, sagt Erzieherin Gerlinde Seliger. Die Kinder hätten im Krieg selbst Furchtbares erlebt, lebten in teils schlimmen Wohnverhältnissen. „Es ging mehr oder weniger darum, sie von der Straße zu holen, für einen Teil des Tages ihren Alltag zu gestalten, sie zum Spielen zu motivieren, sie wieder Freude empfinden zu lassen.“ In jener Zeit sei die Einrichtung ein Ort gewesen, an dem die Kinder aufatmen und glücklich sein konnten, an dem sich gezielt nur um sie gekümmert wurde, sagt Gerlinde Seliger.

Die Räumlichkeiten in der Gaststätte „Schützenhaus“ reichten bald nicht mehr aus. Bis 1949 hatten die Kinder keinen Spielplatz, weil die Gaststätte noch bewirtschaftet wurde. Im Sommer 1949 durfte ein Sandkasten aufgestellt werden, ist in der Chronik zu lesen. Am 1. Dezember 1949 wurde Leiterin Marlies Knoche informiert, dass der Rat der Stadt entschieden hatte, das gesamte Schützenhaus dem Kindergarten zu übertragen. 10 000 Mark wurden für den Umbau gewährt, am 1. Oktober 1950 wurde Einweihung gefeiert. In der Chronik steht dazu: „Die erste Krabbelgruppe, Vorläufer einer Krippe, fasste Kinder im Alter von anderthalb bis drei Jahren, zwei Kindergartengruppen und zwei Hortgruppen hatten in unserer Einrichtung Platz gefunden.“

Eltern und Erzieher packten schon damals mit an, um das Außengelände zu verschönern. So erhielt die Einrichtung in den 1950er Jahren eine anliegende Gartenparzelle. Mit den Eltern wurde das Gelände umgegraben, Gras gesät und umzäunt. In den folgenden Jahren wurden sämtliche Turn- und Spielgeräte wie Straßenbahn, Klettergerüst, Kinderhaus, Eisenbahn, Lauben, Bänke, eine Köhlerhütte und als Höhepunkt ein Planschbecken aufgebaut.

Anfang der 1970er Jahre waren die Tage des alten Schützenhauses gezählt. Das Haus war längst baufällig. Die Stadt stellte eine halbe Million Mark für einen Neubau bereit. Große Aufregung habe bei der Eröffnung geherrscht, erinnert sich Kriemhild Hellerling im Gespräch mit Erzieherin Gerlinde Seliger. Hellerling arbeitete von 1950 bis 1987 im Kindergarten. Warum Aufregung? „In den Waschräumen waren alle Wasserhähne verschwunden.“ Wo sie abgeblieben und wie sie wieder aufgetaucht sind, ist nicht überliefert.

Der Neubau wurde 1994 bis 2001 umfangreich saniert, erhielt 2010 einen Anbau. 2002 wurde das Haus mit dem Weinbergkindergarten zusammengelegt. Seither heißt die Einrichtung „Nöschenröder Hummelhaus“. Nicht neu, aber seitdem auch inhaltlich verankert ist das naturnahe Konzept des Hauses. Regelmäßig halten sich die Hummelkinder im Wald auf.

Kriemhild Hellerling weiß noch mehr zu berichten. Zum Beispiel von den vielen Festen und Feiern, die mit Kindern und Eltern begangen wurden: Zirkus, Fasching, Weihnachtsmärkte, Ostereiersuche auf der Spatzenwiese. „Das Feiern wurde bei uns schon immer groß geschrieben“, sagt auch Gerlinde Seliger.

Für die Feierlichkeiten zum 70. Geburtstag der Einrichtung sind ebenfalls schon viele Pläne geschmiedet worden. Die Festwoche für die Kinder steht unter dem Motto „Holt die Natur ins Haus“. Geplant sind vom 4. bis 8. September eine Schatzsuche, eine Stadtrundfahrt mit der Bimmelbahn, ein großer Spielzeugtag, der Besuch eines Imkers und das Theaterstück „Die Hummel hat Geburtstag“.

Am Montag, 11. September, findet um 16 Uhr ein Arbeitseinsatz mit den Eltern statt, informiert Einrichtungsleiterin Dorothee Gerlach. „Dabei wollen wir vor allem das Außengelände auf Vordermann bringen.“ Ehemalige Mitarbeiter sind am Freitag, 15. September, um 15 Uhr zum Kaffeetrinken, zum Erinnern und zum Blättern in der Chronik eingeladen. Am Sonnabend, 16. September, um 14 Uhr (Einlass 13.30 Uhr) steht die große Geburtstagsfeier an. Eingeladen sind „Neugierige, alle die uns kennenlernen wollen, die uns unterstützt haben, die mit uns feiern möchten“, so die Leiterin. In dem Zusammenhang weist Dorothee Gerlach auf die begrenzten Parkmöglichkeiten im Zwölfmorgental hin. „Am besten zu Fuß oder auf dem Rad kommen.“