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Kommunalhaushalt Oberharz sagt Ja zu Etat mit Millionendefizit

Der Oberharz-Stadtrat hat den Haushalt 2020 beschlossen. Die Lokalpolitiker wollten dabei ein Zeichen gegen den Sparzwang setzen.

Von Katrin Schröder 19.06.2020, 01:01

Elbingerode l Im Saal der Feuerwache Elbingerode herrscht Schweigen. „Möchte jemand etwas sagen?“, fragt der Stadtratsvorsitzende Rudolf Beutner (CDU) und dann noch einmal, verwundert: „Niemand?“ Dass bei einer Haushaltsberatung zunächst kein Stadtrat das Wort ergreifen will, erstaunt. Allerdings lassen die vorliegenden Zahlen kaum Spielraum für Diskussionen. Im aktuellen Etat klafft – allen Sparbemühungen zum Trotz – ein Loch von rund drei Millionen Euro. Wegen der Corona-Krise wird das Defizit voraussichtlich um weitere 800.000 Euro wachsen.

13,8 Millionen Euro Einnahmen sind in dem Zahlenwerk veranschlagt. Dem gegenüber stehen 16,7 Millionen Euro Ausgaben – die coronabedingten Mindereinnahmen noch nicht eingerechnet. Klar sei, dass es bei der Gewerbesteuer Einbrüche geben werde, erklärte Heike Krüger, Amtsleiterin für Finanzen, in der Stadtratssitzung am Dienstagabend, 16. Juni. Auch große Zahler seien durch die Krise in Schieflage geraten. Welche Effekte der Corona-Shutdown über die städtischen Beteiligungen auf den Haushalt haben werde, sei derzeit noch nicht abzusehen.

Wie viel das Land Sachsen-Anhalt eventuell an Hilfsgeldern in die Oberharzstadt überweisen werde, sei bislang ebenfalls offen. „Das ist ein Blick in die Glaskugel“, sagte Bürgermeister Ronald Fiebelkorn (CDU). Angesichts der vielen Antragsteller im gesamten Land machte er den Stadträten jedoch nicht allzu viel Hoffnung. „Wenn wir 100.000 Euro bekommen, können wir wahrscheinlich sehr glücklich sein.“

Eine weitere Hiobsbotschaft betrifft die geplanten Investitionen. Ursprünglich waren dafür Einnahmen und Ausgaben in Höhe von jeweils rund 2,36 Millionen Euro vorgesehen. Dies war noch im März Stand der Dinge, erläuterte Finanzchefin Heike Krüger. Doch eine unvorhergesehene Nachzahlung von 390.000 Euro für die Fertigstellung der Landesstraße 96/B 27 in Rübeland brachte die sorgfältig austarierte Balance ins Rutschen. Für die Susenburger Straße werden im Nachgang ebenfalls noch einmal 45.000 Euro fällig.

Daher haben die Mitglieder des Bau- und Ordnungsausschusses vor der Ratssitzung noch einmal die Bauvorhaben unter die Lupe genommen, erklärte der Vorsitzende Thomas Pöttmesser (FWG Oberharz). Im Ergebnis soll auf die Vorhaben in der Wernigeröder Straße, der Bergstraße und am Wildenberg in Benneckenstein verzichtet werden. Im Plan bleibt die Burgstraße in Rübeland.

Unabdingbar seien die vorgesehenen Anschaffungen für den städtischen Bauhof. Benötigt werden ein Multicar sowie Rasenmäher, Bordsteinschneider und Hubsteiger. Ebenso unabweisbar seien die Investitionen für die Feuerwehren – neben Ausrüstung wie Pressluftatmer und Hitzeschutzanzügen geht es um Fahrzeuge im Wert von 350.000 Euro. Hier solle geprüft werden, ob diese geleast und somit Kosten gespart werden könnten, erläuterte Thomas Pöttmesser.

Laut neuer Rechnung liegen die Ausgaben für Bauvorhaben insgesamt bei rund 1,4 Millionen Euro. Finanziell untersetzt sind jedoch nur 600.000 Euro. Die Gesamtrechnung sieht ebenfalls wenig rosig aus: Für Investitionen sind knapp vier Millionen Euro veranschlagt, doch nur 2,3 Millionen Euro sind gegenfinanziert. Dieser Fehlbetrag von mehr als 1,6 Millionen Euro ist der entscheidende Stolperstein, der den Etat zu Fall bringen kann. „Der investive Bereich ist defizitär und wäre somit nicht genehmigungsfähig“, sagte Heike Krüger. Denn während der Ergebnishaushalt trotz roter Zahlen von der Kommunalaufsicht gebilligt werden könne, müsste bei den Investitionen eine Null unter dem Strich stehen.

Allerdings müssten in der Oberharzstadt zahlreiche Baustellen unverzüglich angegangen werden. Die Liste der Vorhaben, die die Ämter angemeldet hatten, sei weitaus länger als das, was man in den Haushaltsentwurf aus dem März habe aufnehmen können. Obwohl die Vorhaben durchweg nötig seien, so Heike Krüger. „Wir bewegen uns in einem Bereich, in dem wir sagen, dass Investitionen dringend erforderlich sind, aber die nötigen Mittel dafür nicht zur Verfügung stehen“, sagte die Finanzexpertin im Rat.

Kredite aufnehmen sei keine Option, erklärte sie auf Nachfrage von Robert Pilz (FWG Oberharz). Denn zwar liege die Stadt in Sachen Verschuldung mit rund 300 Euro pro Einwohner mittlerweile unter dem Durchschnitt. „Trotzdem wird es uns verwehrt, weitere Kredite aufzunehmen, weil wir nicht in der Lage sind, Zins und Tilgung zu erwirtschaften.“

Das einzige, was die Stadträte tun könnten, sei kürzen, so Thomas Pöttmesser. „Wir müssten vieles über Bord werfen und sagen: Was wollen wir mit 600.000 Euro anfangen?“ Dafür plädierte sein FWG-Fraktionskollege Bernd Ehrlich. Er befürchtete, dass bei vorläufiger Haushaltsführung die Anschaffungen für den Bauhof unter die Räder kommen könnten. „Wenn wir einen nicht genehmigungsfähigen Haushalt beschließen, verbauen wir uns das wenige, was wir haben“, so Ehrlich. Zumindest für die Feuerwehr gelte dies aber nicht unbedingt, sagte Heike Krüger. „Feuerwehr ist immer eine Pflichtaufgabe.“ Daher könne man mit der Kommunalaufsicht verhandeln.

Ehrlichs Antrag erhielt keine Mehrheit. Dagegen wandte sich etwa Ronny Jörs (CDU). „Alles, was drin ist, ist dringend nötig. Was sollen wir denn herausnehmen, wen sollen wir vor den Kopf stoßen?“ Man solle den Haushalt in der vorliegenden Form beschließen und „abwarten, was passiert“. Dem schlossen sich SPD und Linke an. „Wir sollten die Forderung aufrechterhalten, weil es um die Sicherheit der Bürger geht“, sagte SPD-Ratsmitglied Uwe Anderfuhr. Es zeige sich deutlich, dass das Land in der Pflicht sei, für die Kommunen etwas zu tun. Bei fünf Enthaltungen wurde der Haushaltsentwurf am Dienstag beschlossen.