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Kommunalpolitik Wernigerode gegen Beiträge für Straßenbau?

In Sachsen-Anhalt regt sich Widerstand gegen Straßenausbaubeiträge. Wie stehen Wernigerodes Politiker zu der umstrittenen Regelung?

Von Ivonne Sielaff 04.04.2019, 01:01

Wernigerode l Sollen Wernigerodes Grundstückseigentümer von den Straßenausbaubeiträgen befreit werden? Die Entscheidung darüber liegt beim Land. Im Magdeburger Landtag wird das Thema gerade heftig diskutiert. Die Stadt könnte nun dem Beispiel anderer Kommunen folgen und sich öffentlich gegen die Erhebung des Zwangsbeitrags positionieren.

Zumindest nach Ansicht der Wernigeröder Linken. „Die Erhebung der Straßenausbaubeiträge steht seit Langem in der Kritik“, so Fraktions-Vize Christian Härtel, der den Vorstoß der Linken in der jüngsten Stadtratssitzung vorstellte. Nun sei endlich Bewegung in die Diskussion gekommen – auch weil andere Bundesländer bereits eingelenkt hätten.

„Straßensanierungen werden dort mit den Steuern aller Einwohner gezahlt“, so Härtel weiter. „Ein gerechteres System, wie wir finden, denn schließlich wird eine Straße nicht nur von den anliegenden Grundstückseignern genutzt, sondern auch von anderen Menschen.“ Sachsen-Anhalt sollte sich zu seinen Kommunen bekennen und sie mit einer Gegenfinanzierung für die Sanierung der kommunalen Straßen unterstützen, fordert die Linke-Fraktion.

Der Vorschlag stieß bei den Kommunalpolitikern der anderen Fraktionen im Stadtrat auf eher geteiltes Echo. So mutmaßte Christian Linde (CDU), die Linke würde das Thema nur aufgreifen, um Wahlkampf für die anstehende Stadtratswahl zu machen. Die Stadt könne mit den Straßenausbaubeiträgen finanziell „gut planen“ und komme „in den Wohngebieten dadurch gut voran“, so Linde (CDU) weiter. „Wollen wir zukünftig auf imaginäre Zuweisungen aus Magdeburg warten? Ich weiß nicht, woher das Geld kommen soll.“ Wernigerode würde besser fahren, die Diskussion in Magdeburg abzuwarten.

„Wenn das Gesetz fällt, stehen wir vor einer Reihe von Fragen“, gab Siegfried Siegel (SPD) zu bedenken. „Niemand weiß, wie das zukünftig geregelt wird.“ Die Wernigeröder hätten die Beiträge doch längst akzeptiert. Zudem habe sich in der Stadt bisher die Freude über anstehenden Straßenausbau in Grenzen gehalten. „Das wird sich dann ändern“, wenn Anwohner nicht mehr zur Kasse gebeten würden, so Siegel. Auch einen möglichen Stichtag, bis zu welchem der Zwangsbeitrag kassiert wird, hält er für bedenklich. „Alle, die bis dahin gezahlt haben, werden sich betrogen fühlen.“

Sabine Wetzel (Bündnis 90/Die Grünen) glaubt nicht, dass die Bürger die Zwangsabgabe akzeptiert haben. „Das kann ich nicht erkennen.“ Wie die Linken sieht sie das Land in der Pflicht. „Sonst sind Zuweisungen des Landes doch auch das Nonplusultra und jetzt nicht?“, fragte Wetzel. Etliche Straßen in der Stadt seien sanierungsbedürftig, würden aber Jahr für Jahr hinten runter fallen – trotz der angeblichen Planungssicherheit. „Wir wollen doch in der Stadt vorankommen“, so Wetzel. Das Argument „kein Geld ist da“ könne sie nicht mehr hören. „Es ist immer eine Frage der Verteilung und des Setzens von Schwerpunkten.“

Sicherlich falle die Entscheidung in Magdeburg, so Hendrik Thurm (Haus&Grund). Dennoch könne die Stadt „ein Signal“ in die Landeshauptstadt senden, so Thurm, der sogar die Hoffnung äußerte, dass die Entscheidung des Landes den Stadtratsbeschluss in Wernigerode überholen könnte.

Die politische Debatte hat in Wernigerode jetzt erst begonnen. In den Fachausschüssen soll in den nächsten Wochen über das Thema beraten werden.

Hintergrund: Bislang werden anliegende Grundstückseigentümer an den Kosten für den Straßenausbau beteiligt. Das schreibt das Kommunalabgabengesetz vor. Sachsen-Anhalt ist das einzige ostdeutsche Bundesland, das die Kommunen noch verpflichtet, die Beiträge zu kassieren. Aber auch hier mehren sich die Stimmen, die den Straßenausbaubeiträgen ein Ende setzen wollen.

Bis auf die CDU sind alle Parteien im Landtag dafür, um so die Anwohner von der oftmals hohen finanziellen Belastung zu entbinden. Die Union hatte stattdessen vorgeschlagen, bei betroffenen Grundstückseigentümern Härtefälle finanziell abzufedern. Bei Beitragsforderungen oberhalb des dreifachen Monatseinkommens sollten Zuschüsse beantragt werden können, so der Vorschlag der Christdemokraten. Zuletzt hat die Union die Verhandlungen für eine Neuregelung platzen lassen und sie erst einmal bis Herbst auf Eis gelegt.

Inzwischen regt sich auch in den Kommunen des Landes Widerstand gegen die Straßenausbaubeiträge. Städte wie Zerbst, Bernburg und Salzwedel positionieren sich gegen die Ausbaubeiträge. Deren Stadträte fordern überfraktionell von der Landesregierung, die Beiträge abzuschaffen und den Kommunen die Einnahmeausfälle zu erstatten. Es gibt aber auch gegensätzliche Beispiele. So haben sich beispielsweise Tangermündes Stadträte mehrheitlich gegen ein Aus der Ausbaubeiträge ausgesprochen.