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Konzert Die Sängerin im Wohnzimmer

Konzerte in den eigenen vier Wänden sind in Großstädten längst im Trend. Sie haben nun in Wernigerode Fans gefunden.

Von Ivonne Sielaff 04.05.2018, 01:01

Wernigerode l Mikrofon, Gitarre und ihre Stimme – mehr braucht Orit Shimoni nicht, um das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Vor der kanadischen Sängerin sitzen 30 Leute – auf Sofas und Sesseln. Nicht etwa in einem Konzertsaal, sondern in einem winzigen Lagerraum in der Ilsenburger Straße. Zehn Konzerte in zehn Tagen hat die Künstlerin in den Knochen. „Ich bin ein bisschen müde“, verrät sie. Als sie anfängt zu singen, verstummt das Gemurmel im Raum. Alle Aufmerksamkeit ist auf sie gerichtet.

Frank Höfner hat dieses „Wohnzimmer“-Konzert organisiert. „Aus der Not heraus“, sagt der 50-Jährige. „Ich kenne diesen Trend aus Großstädten wie Berlin oder Leipzig.“ Oftmals würden dabei wirklich Wohnungen als Auftrittsort herhalten. „Es ist unglaublich schwer, einen Platz in einem dieser Konzerte zu ergattern.“ Deshalb habe er immer gehofft, dass sich hier ebenfalls eine solche Szene entwickelt.

Weil das nicht passierte, hat er die Sache selbst in die Hand genommen. Ein Veranstaltungsort war schnell gefunden – der Lagerraum von Höfners Computerfirma, den er mit Musikerfreunden auch als Probenraum nutzt. Großartig bewerben musste er das Konzert nicht. „Es ist auf 30 Leute begrenzt.“ Er habe eine Website eingerichtet, auf der sich Interessierte anmelden konnten. Ohne Online-Anmeldung kein Zutritt. Und die 30 Tickets waren schnell vergriffen.

Die Liedermacherin Orit Shimoni habe er per E-Mail kontaktiert. „Ich habe sie gefragt, wann sie mal wieder in der Gegend ist. Ich kann sie schließlich nicht aus Kanada einfliegen lassen.“

Geld verdienen möchte Höfner mit seinen Wohnzimmerkonzerten nicht. „Darum geht es nicht. Die Leute zahlen einen Obolus, der fließt 1 zu 1 in die Künstlergage.“ Viel wichtiger sei es ihm, Musikinteressierten in der Stadt etwas zu bieten. „Quedlinburg hat die Reichenstraße, Halberstadt die Zora – solche Clubs fehlen seit der Schließung der KuBa in Wernigerode einfach. Und das ist bedauerlich.“

Zwei Wohnzimmerkonzerte will er jährlich auf die Beine stellen – beim nächsten Mal hoffentlich mit weiteren Gleichgesinnten. „Ich wollte den Impuls geben und hoffe, dass ich Mitstreiter finde, die wie ich Spaß daran haben und Räumlichkeiten zur Verfügung stellen wollen.“

Und was ist das Besondere an einem Wohnzimmerkonzert? „Die Atmosphäre“, sagt Frank Höfner. „Es ist eine spezielle Form von Intimität, mit völlig Fremden in einem kleinen Raum zu sitzen und sich der Musik hinzugeben.“