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Kulturgeschichte Momentaufnahmen aus einer anderen Zeit

Rund 10.000 Objekte befinden sich im Schloss Wernigerode im Landkreis Harz. Ein Überblick der Schätze.

Von Katrin Schröder 01.12.2017, 00:01

Wernigerode l Wie hat es einst im Schloss Wernigerode ausgesehen? Dank der rund 1500 Aufnahmen umfassenden Fotosammlung auf dem Agnesberg lässt sich dies nachvollziehen. Unter den historischen Bildern finden sich Raritäten wie ein Blick in die Schlosskirche, der von Mitte der 1890er-Jahre datiert.

Das Bild gehört zu einer Sammlung von Fotos aus dem Harz, die Schloss-Geschäftsführer Christian Juranek vor ungefähr zehn Jahren gekauft hat. „Es gibt so gut wie keine historischen Bilder von der Schlosskirche“, sagt Juranek. „Als ich die Aufnahme fand, habe ich laut ,Hurra!‘ gerufen, weil es mit zum Seltensten überhaupt gehört.“ Zwar sei das Schlosskirchen-Bild wegen des Gegenlichts, das durch die Chorfenster fällt, recht düster, vermittle aber einen Eindruck vom Raum. Zu sehen sind zum Beispiel die Kirchenstühle und die Teppiche, die im Chorumgang hingen und die Gräfin Anna höchstpersönlich mit ihren Freundinnen bestickt hat.

Ebenfalls aufschlussreich ist ein Blick ins Porzellanzimmer. Festgehalten hat ihn 1926 der Fotograf Eduard Bissinger aus Erfurt. „Große Teile der Ausstellung im Schloss sind in diesem Jahr durchfotografiert worden“, berichtet Christian Juranek. Das sei heute von großer Bedeutung, weil die Räume im Originalzustand zu sehen sind. Das Foto des Porzellankabinetts diente als Vorlage für die Wiederherstellung des Zimmers ab 2002 und lieferte viele wertvolle Informationen: Wo haben welche Möbel gestanden, wo befanden sich die Vitrinen, was für Teller waren darin ausgestellt?

Die Fotos zeigen nicht nur das Schloss, sondern auch die Familie zu Stolberg-Wernigerode und ihre Gäste, unter denen sich bedeutende Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts befanden – zum Beispiel der französische Ministerpräsident Léon Gambetta. „Das Tolle ist: Alle Fotos sind beschriftet“, freut sich Juranek. Die Hohenzollern sind zahlreich vertreten – nicht Wilhelm I. selbst, dafür Familienmitglieder, Frauen und Kinder. Kurios die Aufnahmen vom Besuch des ägyptischen Königs Fuad 1929: Der Wernigeröder Hoffotograf interessierte sich weniger für den Monarchen als vielmehr für dessen schicken Sportwagen, der auf der Schlossterrasse parkte.

Ebenso sind Bilder aus dem Reichstag, dem Kanzlerpalais und dem preußischen Staatsministerium vertreten. „Auch das ist für uns von Interesse“, so der Schloss-Chef. Das gilt ebenfalls für mit Schloss Wernigerode vergleichbare Bauten, die Schlossbaumeister Carl Frühling inspiriert haben. Zeugnisse regionaler Ereignisse wie des Erdrutsches, der 1927 zu einem Eisenbahnunglück im Thumkuhlental führte, sind überdies in der Sammlung dokumentiert.