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Kunstgeschichte Barock bis zu den Füßen

Rund 10.000 Objekte gehören zum Bestand des Schlosses Wernigerode. Die Harzer Volksstimme stellt einige Schätze und ihre Geschichte vor.

Von Katrin Schröder 30.04.2017, 08:07

Wernigerode l Der Schrank sieht aus, als wäre er für die Grüne Heinrichskammer gemacht. Das dunkle Holz schimmert dezent und reflektiert das Grün der Seidentapeten. Doch die Geschichte des Möbelstücks, das sich im Besitz des Schlosses Wernigerode befindet, hat mit dem Harz nicht viel gemein.

Den Ausstellungsraum schmückt der Schrank einzig und allein deshalb, weil er seinem Vorgänger ähnelt. „Ein solcher Glasschrank hat genau an dieser Stelle gestanden“, erklärt Schlossgeschäftsführer Christian Juranek. Dies bestätigt ein Foto aus dem Jahr 1927.

Doch das Möbelstück wurde bereits vor Ende des Zweiten Weltkriegs aus dem Schloss gebracht. In Zuge der Bodenreform, als die vormaligen Schlossherren endgültig enteignet wurden, ist das Inventar verschiedener Schlösser verschleppt und andernorts wieder aufgestellt worden.

Dadurch gelangte ein Schrank ins Wernigeröder Schloss, der zunächst fälschlich für ein Besitztum der Familie Stolberg-Wernigerode gehalten wurde. „Es hat sich erst in den 1990er-Jahren herausgestellt, dass er aber in Wirklichkeit der Familie Otto aus Possendorf gehörte“, berichtet Juranek.

Das kostbare Möbelstück wurde den rechtmäßigen Eigentümern zurückgegeben, in der Ausstellung blieb eine Lücke – und die Frage, wie sie gefüllt werden soll. Klar war, dass sich eine neue Möblierung an dem Vorbild aus dem Jahr 1927 orientieren sollte. „Wir waren seit Langem auf der Suche“, erinnert sich der Schlosschef.

Durch einen glücklichen Zufall stießen Juranek und Schlosskustodin Eva-Maria Hasert im Frühjahr 2016 auf den Schrank, der heute in der Grünen Heinrichskammer steht. Es handelt sich dabei um einen niederländischen Vitrinenschrank, der aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts datiert – vermutlich aus der Zeit um 1760, erklärt Eva-Maria Hasert.

Mit seinen auffälligen Füßen, die an Tatzen erinnern, und den geschwungenen Schüben stehe der Schrank beispielhaft für den Geschmack seiner Zeit. „Das ist ganz typisch Barock“, sagt die Kustodin. Damals hatten Vitrinenschränke dieser Art Konjunktur. „Darin hat man schöne Dinge ausgestellt“, erklärt Christian Juranek.

Die Käufer kostbarer Möbel waren reiche holländische Händler. Diese haben früh begonnen, Porzellan zum Beispiel aus Asien zu importieren. Deren Muster wurden in Europa durch Fayencen, eine bestimmte Form der Keramik, populär. Hergestellt wurden sie zunächst in Italien, später unter anderem auch in den Niederlanden mit Schwerpunkt in Delft.

Die Preziosen brauchten einen Ort. Das Porzellan sollte sicher untergebracht werden, aber dennoch zu sehen sein. „Amsterdam war eine reiche Kaufmannsstadt. Da zeigt man seinen Reichtum“, sagt Christian Juranek. Dieser spiegelt sich ebenso in der aufwändigen Verarbeitung des Schranks wider. Ein Beispiel dafür sind die feuervergoldeten Bronzebeschläge, die Ornamente in Form von Akanthusblättern zieren. „Sie sind sehr filigran gearbeitet und sehr schön“, urteilt Eva-Maria Hasert.

Im Schloss Wernigerode beherbergt der Vitrinenschrank zwar keine Delfter Fayencen, sondern Meißner und Gothaer Porzellan aus dem 19. Jahrhundert. Doch optisch und auch historisch betrachtet fügt er sich bestens in seine Umgebung ein, darin sind sich Christian Juranek und Eva-Maria Hasert einig. „Das war ein unglaublicher Glücksfall“, sagen beide über den Kauf.