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Landwirtschaft Die Hasselfelder Milch-Schwestern

Die wohl kleinste Milchviehwirtschaft im Harz betreiben Ilka und Griseldis Liesenberg in Hasselfelde. Die Schwestern halten fünf Kühe.

Von Julia Bruns 11.03.2018, 00:01

Hasselfelde l Sie hört auf den Namen Stella und sie ist ein echter Harzer, genau genommen, ein echter Harzer Fuchs. So heißt die Hütehundrasse, die schon seit jeher von Viehhirten im Harz für die Arbeit mit dem Rotvieh eingesetzt wurde. Stella muss genau diese Aufgabe erfüllen. "Sie ist schon der dritte Harzer Fuchs, den wir haben", verrät Griseldis Liesenberg. Die Hündin mit dem markanten cremeroten Fell brauche viel Zuwendung, sagt die 55-jährige Hasselfelderin, die gemeinsam mit ihrer Schwester Ilka die wohl kleinste Milchkuhwirtschaft im Harz betreibt.
"Wir sind immer mit auf der Weide, mit im Stall gewesen", erinnert sich Ilka Liesenberg an ihre Kindheit. Stall ausmisten, um 6 Uhr morgens und um 18 Uhr abends die Kühe melken, die Tiere auf die Weide am Harzweg, der nach Trauenstein führt, treiben - das gehört für die 57-Jährige und ihre Schwester Griseldis zum Alltag, den sie gegen nichts in der Welt eintauschen würden. Immer mit dabei - der Harzer Fuchs Stella. Nicht nur zu den Kühen, auch zu den Hühnern, die die Liesenbergs halten, hat die vier Jahre alte Hundedame, die die Geschwister bei einem Züchter im thüringischen Apolda bei Weimar gekauft haben, eine besondere Bindung.
Die vier Kühe Betti, Anni, Anabel, Beatrix und das Kalb Astrid, das im April ein Jahr alt wird, stehen derzeit in der 1902 erbauten Scheune auf dem Grundstück der Geschwister in der Grabenstraße mitten in Hasselfelde. "Seit 1902 hält unsere Familie Kühe", sagt Ilka Liesenberg. Im Jahr 2005 haben sich die Liesenberg-Schwestern mit ihrer Firma für Garten- und Landschaftspflege selbstständig gemacht.
30 bis 40 Liter Milch geben die Kühe pro Tag. Bis vor Kurzem haben die Schwestern noch eine Molkerei in Bad Bipra mit der Milch beliefert. "Im Januar hieß es dann plötzlich, dass es zu wenig ist, um weiter zu liefern", berichtet sie. "Mehr Milch geben Kühe aber nur, wenn sie ungesund ernährt werden, nämlich mit Industriefutter." Seitdem die Molkerei die Milch nicht mehr abnimmt, stellen sie Butter her. "Unsere Kühe sollen gar nicht mehr Milch geben. Anders als in den großen Milchviehbetrieben bekommen unsere Tiere nur gutes Gras von den Harzer Wiesen", sagt sie.
In dem Heu sind Orchideen, die auf der Weide in Hasselfelde wachsen. Je nach Jahreszeit wechsele die Milch ihre Farbe. Im Sommer sei sie zitronengelb, im Winter hell. Die Art, wie sie die Kühe ernähren, sei absolut "öko", allerdings bedürfe es verschiedener Zertifikate, um die Milch auch so vermarkten zu dürfen. "Wir halten Bio-Kühe, aber eben ohne teures Zertifikat", erklärt sie.
"Es ist ein sehr zeitaufwändiges Hobby", sagt Griseldis Liesenberg. "Denn von der Landwirtschaft alleine könnten wir nicht leben." Neben ihrer Milchviehwirtschaft arbeitet Griseldis Liesenberg als Küsterin in der Pfarrgemeinde, ihre Schwester als Pfarrsekretärin. So teilen sie nicht nur den Hof, Hund Stella und die Arbeit in der Landwirtschaft - sondern sehen sich auch regelmäßig in der Kirchgemeinde.
Ob sie sich nicht auf die Nerven gehen, wenn sie so viel Zeit miteinander verbringen? "Wir ergänzen uns gut", sagt Ilka Liesenberg. "Es macht uns nichts aus, immer zusammen zu sein." Streit gebe es nicht. Nein, im Gegenteil - die beiden Frauen spielen sogar zusammen im Posaunenchor der Gemeinde. "Aber nicht dasselbe Instrument", sagt Griseldis Liesenberg und lacht. "Ich spiele Posaune, meine Schwester Trompete." Wenigstens da unterscheiden sie sich, scherzt sie.
"Wir sind Exoten", sagt die brünette Küsterin unumwunden. "Wir waren schon immer freischaffende Künstler, wenn man das so nennen will." Ja, sie haben keine Kinder, sie haben fünf Kühe, sie sind stark in der Gemeinde und im Posaunenchor engagiert, sie haben einige Entbehrungen durch ihre Milchviehwirtschaft, fahren zum Beispiel nicht in den Urlaub. "Das Thema Urlaub gibt es bei uns überhaupt nicht. Wohin sollten wir auch mit den Kühen? ", sagt Ilka Liesenberg. Auch die Hühner könne man schlecht alleine lassen. "Und was wollen wir in die Alpen? Hier ist es mindestens genauso schön", sagt sie.
Die Vorfreude auf den Mai ist bereits groß. Dann geht es wieder auf die Weide mit Stella und den Kühen. "Stella liebt die Arbeit mit den Tieren. Sie ist kein Hund, der an der Leine geführt werden kann. Sie läuft mit, hört gut", sagt Griseldis Liesenberg.
Nicht nur Stella ist wohlerzogen, auch die Kühe unterscheiden sich durch die enge Bindung an ihre beiden Halterinnen von ihren Artgenossen, die in großen Stallanlagen leben. "Sie sind handzahm, hören auf ihre Namen. Sie lassen sich streicheln, sind total entspannt, wenn wir bei ihnen sind", sagt Ilka Liesenberg und zeigt Fotos vom Sommer. Zu sehen ist Schwester Griseldis, die auf einer Kuh sitzt. Es ist ein inniges Verhältnis, das die beiden zu den Rindern haben.
Solange sie sich körperlich in der Lage dazu fühlen, wollen die Schwestern weiter in der Landwirtschaft arbeiten.