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Miniaturenpark Im Modell-Harz zählt jede Kleinigkeit

Diese Werkstatt lässt Tüftlerherzen höher schlagen. Die Modellhäuser des Miniaturenparks "Kleiner Harz“" werden im WInter reatauriert.

Von Ivonne Sielaff 08.01.2021, 00:01

Wernigerode l In den Wintermonaten verwandelt sich der Wernigeröder Bürgerpark in das Liliput Gullivers - das Reich der Winzlinge. „Sehen Sie hier“, sagt Andreas Knespel. Er hält eine kleine Frauenfigur in der Hand - blonde Haare, weißes, Kleid, dunkelblaue Jacke. Der Fuß ist abgebrochen. Kein Problem für den Werkstattchef des „Kleiner Harzes“. Ganz vorsichtig befestigt er den Fuß mit Kleber. Jetzt muss er nur noch trocken.

Gut 60 Modellhäuser werden derzeit in den Räumen des Schafstalls gelagert, dazu einige Miniloks, winzige Bäumchen und Figuren. Von April bis Oktober standen sie draußen im Miniaturenpark am Dornbergsweg, waren Wind, Wetter und vor allem der Sonne ausgesetzt. Das hat Spuren hinterlassen.

Spuren, die bis zum Start der nächsten Parksaison am 2. April 2021 wieder verschwunden sein müssen. „Wir säubern alle Modelle“, sagt Knespel. „Sie werden neu gestrichen und lackiert.“ Defekte Dachrinnen und Zäune werden repariert, die Figuren überarbeitet. Für den Werkstattleiter und seine fünf Kollegen ist das eine Menge Arbeit, und die Zeit ist knapp. „Wir müssen dolle den Finger ziehen, damit wir es schaffen. Der Winter ist in einem Fingerschnippen vorbei.“

Die Arbeiten seien unglaublich aufwändig, so Knespel. „Das ist nicht so einfach wie ‚Malen nach Zahlen‘. Da geht es um Schattierungen. Die Fassaden und Dächer müssen dreckig aussehen oder vermoost.“

Besonders viel Aufwand bereitet den Tüftlern im Schafstall der Halberstädter Dom. Der Koloss im Miniaturformat steht schon seit Juni 2019 in der Werkstatt. Nach zwölf Jahren unter freiem Himmel muss er komplett überarbeitet werden. Vor allem das Dach hat im Laufe der Zeit gelitten. „Die Schieferziegel wurden damals alle in fingernagelgroßen Einzelteilen gefertigt und auf die Dachplatten geklebt“, so der Werkstattleiter. Eine Sisyphus-Arbeit, die sich inzwischen als Problem herausgestellt habe. „Sonne und Kleber sind zwei Dinge, die sich nicht vertragen“, sagt Andreas Knespel. Die Platten haben sich verzogen, die winzigen Ziegel sind spröde geworden und haben sich in alle Richtungen gebogen, so dass der Kleber sie kaum noch halten kann.

25 Mann hätten einst vier Jahre lang am Halberstädter Dom gearbeitet - damals noch in der Oskar-Kämmer-Schule. „Die Zeit haben wir bei der Reparatur nicht“, sagt Knespel. „Deshalb sparen wir uns den Kleber und die Einzelteile.“ Die Fräse übernimmt einen großen Teil der Arbeit. Das Gerät arbeitet die Ziegel aus einer großen Platte heraus. Das heißt, Dach und Siegel werden aus und in einem Stück gefertigt. 20 Tage braucht die Fräse für eine Dachfläche. Den Feinschliff erledigen die Werkstatt-Mitarbeiter dann per Hand – mit Pinsel und Farbe.

Technische Unterstützung erhalten sie auch bei den Fialen des Domes. 60 Stück schmücken das Gotteshaus. Aber die sind nicht alle gleich, hat An-dreas Knespel herausgefunden. „Ich war in Halberstadt, habe Fotos gemacht und die Bilder analysiert.“ Und siehe da, es sind 18 verschiedene Spitzen. „Das ist schon ein Mehraufwand, sie so zu zeichnen, wie sie wirklich sind.“ Der 3D-Drucker erledigt den Rest. Und der rattert fast ohne Pause.

„Wie lange wir noch am Dom sitzen? Da will ich mich eigentlich noch nicht festlegen“, sagt der Werkstattleiter. Es sei eben viel schwieriger, etwas zu reparieren als neu zu bauen. „50 Wochen brauchen wir bestimmt noch – wenn uns Corona keinen Strich durch die Rechnung macht.“

Das heißt, in der nächsten Saison müssen die Besucher wohl oder übel noch auf den Halberstädter Dom verzichten. Dafür können sie sich aber auf eine neue Miniatur-Sehenswürdigkeit freuen. Obwohl – ganz so neu ist sie gar nicht. Das Bestehornhaus stammt zwar aus Wernigerode und stand 2010 bei der Landesgartenschau in Aschersleben. Nach Ende der Gartenschau stand das Modellhaus jahrelang in einem Lagerraum und geriet in Vergessenheit. Bis vor kurzem, als es beim Aufräumen wieder entdeckt wurde. „Die Ascherlebener freuen sich, dass wir noch Verwendung dafür haben.“

Mit dem Ascherlebener Wahrzeichen hat das Werkstatt-Team etwas Besonderes vor. „Wir schneiden es in der Mitte durch – als Anschauungsobjekt“, verrät Knespel. „Man kann sich doch von außen gar nicht vorstellen, wie es von innen aussieht.“ So werden die Arbeitsschritte sichtbar. „ Viele Menschen haben doch keine Ahnung davon, dass hier jeder Stein einzeln aufgeklebt ist.“

Anders als Knespel nach zwei Jahren als Chef der Miniaturen-Werkstatt. „Ich gehe inzwischen ganz anders durch die Stadt“, schmunzelt er. „Ich sehe die Gebäude mit anderen Augen - und frage mich dabei jedes Mal: Wie würde ich das im Minaturformat umsetzen.“