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Natur Die Schweinerei geht weiter

Um Wildschweine zu verjagen, wurden brachliegende Gärten im Wernigeröder Nesseltal beräumt. Nun wurden erneut Parzellen verwüstet.

Von Katrin Schröder 27.06.2017, 01:01

Wernigerode l Siegfried Preiß ist mit den Nerven am Ende. „Ich bin fix und fertig, meine Frau ebenso“, sagt der Wernigeröder. In seinem Kleingarten im Wernigeröder Nesseltal haben vor Kurzem wieder die Wildschweine gehaust – obwohl die Stadtverwaltung die Schwarzkittel Anfang Juni mit einer großangelegten Aktion verscheuchen wollte. „Das hat nichts gebracht“, sagt Preiß.

Im Gegenteil: Bei den Mäh- und Aufräumarbeiten seien Zäune, die brachliegende Gärten von einem Weg in der Anlage abgrenzen, umgestürzt und nur notdürftig aufgestellt worden. Ein Teil sei wieder umgefallen und von Nachbarn mit Stricken befestigt worden. „Hier hat die Stadt ihre Sicherungspflicht verletzt“, so Preiß. Denn wegen Lücken und Löchern im Zaun hätten die Wildschweine freie Bahn, um in seinen Garten einzudringen und sich an Erdbeeren und Kohl satt zu fressen.

Dem widerspricht Tobias Kascha. Die Zäune seien „gesichert“ worden, teilt der Rathaussprecher auf Volksstimme-Nachfrage mit. Neue Aktionen seien nicht geplant. Eine Minderung der jährlichen Pacht für den Kleingarten, wie sie Siegfried Preiß verlangt, werde es nicht geben.

Darüber hinaus seien nicht nur die Stadtverwaltung in der Pflicht, sondern auch die Kleingartenpächter, betont Kascha. Diese müssten ihre Zäune in Ordnung halten und dafür sorgen, dass möglichst wenig „Anlockmaterial“ wie Kompost auf den Parzellen vorhanden ist. Dazu rät auch Frank Lüddecke, Vorsitzender der Kreisjägerschaft. „Jede offene Tür, jeder kaputte Zaun lädt dazu ein“, sagt er.

 Als Schutz vor Tieren, die sich unter Zäunen hindurchwühlen, könnte eine Barriere aus Steinen im Erdreich dienen. Möglich sei ebenso, die Wildschweine zu vergrämen – mit speziellen Chemikalien, die am Zaun angebracht werden und Gerüche aussenden. „Wir Menschen nehmen diese nicht wahr, wohl aber die Schweine“, so Lüddecke. Ganz billig sei diese Form des Schutzes allerdings nicht – und eine Garantie dafür, dass die Schwarzkittel nicht zurückkehren, gebe es ebenfalls nicht.

Er sehe kaum andere Möglichkeiten, so Lüddecke. Die Jäger täten ihr Bestes, um die Tiere im Stadtwald zu erlegen. In der Kleingartenanlage sei das nicht möglich. „In der Stadt zur Jagd zu blasen, das halte ich für einen Fehler. Die Gefahr, dass ein Unglück geschieht, ist zu groß“, sagt der Chef der Kreisjägerschaft. Um in befriedetem Gebiet wie im Nesseltal zu jagen, müsste bei der Unteren Jagdbehörde eine Ausnahmegenehmigung beantragt werden – doch das sei nicht geplant.

Das grundsätzliche Problem sieht der Wernigeröder Stadtförster Michael Selmikat anderswo. „Wir haben in diesem Jahr einen sehr hohen Wildschweinbestand – nicht nur in Wernigerode, sondern in ganz Sachsen-Anhalt“, sagt er. Durch den milden Winter hätten die Tiere mehr als genug Futter, um sich und ihre Jungen durchzubringen. Die Zahl der Schwarzkittel könne sich so rasch vervielfachen, sagt Frank Lüddecke. Eine Bache bringe bis zu zweimal pro Jahr sechs bis zehn Frischlinge zur Welt.

Dies schlägt sich in den Abschusszahlen nieder. 2003 wurden 74 Wildschweine erlegt, 2016 waren es 70. „Dies sind die beiden Jahre, in denen bisher die meisten Tiere erlegt wurden“, so Selmikat. Wahrscheinlich werden die Zahlen 2017 übertroffen. Seit April seien bereits rund 30 Wildschweine geschossen worden.

Komplett lösen lasse sich das Problem nicht. „Man kann sie nicht ausrotten“, sagt Michael Selmikat – zumal die Tiere nachts umherwandern und nach ihren Raubzügen womöglich viele Kilometer zurücklegen. Weil sich aber erneut die Beschwerden häufen, wird in der Stadtverwaltung darüber beraten, was getan werden könnte. Siegfried Preiß, der viel Zeit, Geld und Mühe in seinen Garten investiert hat, hilft das wenig. „Wir ernten in diesem Jahr nichts“, sagt er traurig.