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Naturschutz Kampf gegen Käfer, Chaos und Pilz im Oberharz

Nach dem Sturmtief "Friederike" werden im Oberharz tausende Festmeter Fichtenholz haltbar gemacht. Doch der Borkenkäfer bedroht die Rettung.

Von Julia Bruns 09.05.2018, 01:02

Elbingerode l Es herrscht ein Klima wie im Regenwald – mehr als 120 Prozent Luftfeuchtigkeit bei praller Sonne. Da kommt ein Spaziergang zwischen den Bansen im Nasslager auf dem Gelände der Fels-Werke bei Elbingerode einem Saunagang gleich. 18.000 Kubikmeter Fichtenholz lagern hier derzeit. Es ist das Holz, was Sturmtief „Friederike“  Mitte Januar innerhalb weniger Stunden in den Wäldern Mitteldeutschlands umgerissen hat. Tag für Tag kommen Lkws mit weiteren Ladungen aus Richtung Tanne, aus Königshütte, Elbingerode und Rübeland – den vier Revieren im Oberharzer Forstbetrieb. Platz ist für 22.000 Kubikmeter.

Und es ist nicht das Ende. „Wir sind am Verhandeln mit dem Landkreis“, sagt Eberhard Reckleben. Eine weitere Fläche, etwa 0,7 Hektar groß und damit ein Drittel von der vorhandenen, will der Landesbetrieb noch anmieten, um das Holz haltbar zu machen. Die Wiese befindet sich direkt neben dem Nasslager. Normalerweise schlägt der Forstbetrieb Oberharz etwa 100.000 Festmeter im Jahr. In diesem Jahr werden 200.000 Kubikmeter Sturmholz aus den Wäldern geholt. „Davon 120.000 Kubikmeter wertvolles Sägeholz. Deutlich mehr als nach Kyrill.“ Zwei Drittel seien bisher aufgearbeitet, der Rest liege noch in den Wäldern im Mikado. 120.000 Kubikmeter seien bereits eingeschnitten worden. 30 bis 40 Prozent Wertverlust des wertvollen Sägeholzes drohen, wenn Pilze die Bäume befallen. Das Holz verfärbt sich, wird unbrauchbar für die Weiterverarbeitung. Ein immenser wirtschaftlicher Schaden droht.

Deshalb bewässert Theo Fiala vom Forstbetrieb die Holzstämme mit Wasser aus dem benachbarten Hornbergsee. 50 sogenannte Regner, wie sie auch in der Landwirtschaft eingesetzt werden, benässen das Holz mit 50 Kubikmeter Wasser in der Stunde. Rund 900 Meter Schlauch hat Fiala verlegt. Triefend nass muss das Holz sein, um es zu schützen. Bis zu drei Jahre wird es durch die Methode, die der Forstbetrieb schon nach „Kyrill“ erfolgreich angewandt hat, haltbar. Seit dem 12. April läuft die Bewässerung, 24 Stunden am Tag – und voraussichtlich auch im Winter. „Wir sind in Deutschland mit die ersten, die beregnen“, sagt der Forstingenieur. „Damit haben wir dem Wertverlust schon gut entgegengewirkt.“

Und wie machen es die anderen? „In Niedersachsen wird das Holz auch in Folien eingepackt, um es vor Pilzbefall zu schützen“, erläutert Eberhard Reckleben. Er halte davon nicht viel. „Wird die Folie beschädigt und Luft dringt ein, fault das Holz möglicherweise unbemerkt.“ Die dritte Möglichkeit sei die Trockenlagerung, wobei das Holz jedoch deutlich an Qualität verliere.

Das Nasslager habe den großen Vorteil, dass der Forstbetrieb auf den Hornbergsee und damit einen geschlossenen Wasserkreislauf zurückgreifen kann. Dankbar sei er, dass sich die Fels-Werke so kooperativ gezeigt haben. „Großer Nachteil ist, dass wir alles zweimal transportieren müssen.“ Die Logistik sei ein echtes Problem, wie er im Gespräch deutlich macht.

„Ich habe so ein Chaos noch nicht erlebt“, sagt Reckleben. Die Massen an Holz, die der Orkan in den Privat-, den kommunalen und den Landesforsten hinterlassen hat, können die wenigen kleinen Sägewerke in Allrode, Hasselfelde und Gernrode nicht aufnehmen. „Früher waren deutlich mehr mittlere und kleinere Betriebe am Markt. Aber der Kostendruck in der Fertigung hat sie fast alle verdrängt.“ Übrig geblieben seien wenige große Firmen mit professionellen Trocknungskammern. Und das Holz zu dem einzigen großen Abnehmer in der Region, dem Sägewerk in Rottleberode, zu transportieren, sei eine Herausforderung. „Wir sind täglich mit fünf bis zehn Lkws im Einsatz, um die Werke zu beliefern“, sagt er.

In der Woche plane er mit 70 Einfuhren nach Rottleberode. Das Werk verarbeitet gut 1,2 Millionen Kubikmeter Holz. „Die Fuhrleute wurden über Jahre schlecht bezahlt, es arbeitet kaum noch Personal in diesem Sektor“, vermutet Eberhard Reckleben. Daneben fahren Züge mit dem Fichtenholz nach Bayern, Lieferungen gehen auch nach Nordhessen

Ein weiteres Problem sei der ungewöhnlich warme April. Der Buchdrucker, der für die Fichtenwälder gefährliche Borkenkäfer, fliege schon massiv. „Deshalb muss das Holz schnell raus aus dem Wald.“ Gerade in den Wäldern nahe des Nationalparkes sei der Befall am stärksten. „Jeder tote Baum produziert 10.000 Käfer, das potenziert sich schnell in die Milliarden.“

Derzeit würden vor allem Privatwaldbesitzer ihr Holz an die Sägereien verkaufen. Deshalb wird der Forstbetrieb erst zeitversetzt mit dem Absatz am Markt beginnen. Bis Mitte des nächsten Jahres könnte das Lager schon wieder leer sein. „Ich gehe davon aus, dass die Nachfrage im vierten Quartal anziehen wird“, sagt er.