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Neubau Prototyp für moderne Kirche

Die Neuapostolische Gemeinde in Wernigerode hat die Wiedereröffnung ihrer Kirche gefeiert. Die Gemeinde kehrt mit neuen Mitgliedern zurück.

Von Julia Bruns 17.10.2017, 01:01

Wernigerode l Die Neuapostolische Kirche (NAK) in Wernigerode hat ihr Domizil in der Lüttgenfeldstraße am Wochenende wieder bezogen. Viel wurde in den letzten zwölf Monaten geschaffen: ein lichtdurchfluteter Anbau mit Sakristei und Garderobe, ein barrierefreier Zugang, die Restaurantion der historischen Röhrenorgel und die Sanierung des bestehenden Gotteshauses.

„Das ist eine Investition in eine lebendige Gemeinde“, sagte Marc Loose, der den Bau von Hannover aus für die NAK koordiniert hat. Rund 1,6 Millionen Euro werden ihm zufolge in den Standort investiert. Eine Million stammt aus einem Fördertopf, den Kirche und Kirchenleitung geschaffen haben, um demographischen Herausforderungen zu begegnen.

Die Gemeinde in Wernigerode sei ein Prototyp für eine sogenannte Förderkirche und beispielgebend für weitere Gemeinden. „Ich bin begeistert, wie gut es gelungen ist, das alte und das neue Gebäude zu verbinden“, so Loose. Das unterstrich auch Apostel Jens Korbien, der in seinem Gebet für das gelungene Werk dankte.

Architekt Sven Martens würdigte die Arbeit einiger Hundert Mitwirkender. „Ich bin begeistert von diesem Kleinod“, so Martens. Er hob die reizvolle Schlichtheit des Kirchenhauses hervor. „Bei uns im Büro haben wir Spitznamen für unsere Projekte“, verriet er. „Hier haben wir gesagt: Wir haben der alten Dame aus den 1920er Jahren einen neuen Partner an die Seite gestellt.“

Auf eine Trennung beider Gebäudeteile sei bewusst verzichtet worden. So orientiert sich auch die Farbgestaltung beider Häuser an der Originalfarbe beige. Besonderheiten seien die bleiverglasten Rundbogenfenster und der schmale Hof zwischen Alt- und Neubau, der die Kirche zur Weihnachtszeit in stimmungsvolles Licht tauchen werde. Auch in die Sicherheit sei investiert worden – Brandmeldeanlagen, eine Außentreppe und Fluchtwege sind nun vorhanden.

„Es ist so, als wären wir nie fort gewesen“, sagte Andreas Lutz. Während der Bauarbeiten nutzte die Gemeinde die Liebfrauen- und die Sylvestrikirche für ihre Gottesdienste. „Es ist ein schöner Kontakt zu unseren Mit-Christen in der Stadt entstanden, den wir auch in Zukunft pflegen wollen“, sagte der Gemeindevorsteher, der diese Aufgabe – auch Hirte genannt – ehrenamtlich übernimmt. Lutz verglich den Bau mit der Entwicklung der Gemeinde. „Ein Jahr war unsere Gemeinde außer Haus. Doch es ist nicht die Gemeinde, die ausgezogen war, die zurückgekehrt ist.“

Man habe sich verändert und sei gewachsen – konkret um die Mitglieder aus Ilsenburg und Elbingerode. Mit dem Neubau wurde die Zusammenlegung dieser Gemeinden vorbereitet, die mit dem Gottesdienst am Sonntag ihren Abschluss fand. „Hier ist etwas entstanden, was unseren Wünschen und Erfordernissen entspricht“, so Lutz. „Das Wichtigste ist, dass wir dieses Haus mit Leben erfüllen.“ Er nutzte seine Rede, um zum Adventskonzert am 10. Dezember einzuladen.

Der Wernigeröder Benjamin Busch hat jahrelang in der Kirche gewohnt, denn im hinteren Teil war eine Wohnung untergebracht. Wo früher sein Kinder- und das Wohnzimmer waren, befinden sich heute Räume für die Gemeinde, unter anderem ein Spielzimmer für Familien, die sehr zahlreich in der Gemeinde vertreten sind, sowie ein Gemeinschaftsraum.

Dass Musik eine wesentliche Rolle im Kirchenleben spielt, konnte Busch bestätigen. Mit vielen weiteren Mitgliedern singt der 30-Jährige im Chor, der unter der Leitung von Stefan Jokel den Festakt musikalisch untermalte. Daneben spielt er Orgel. „Deshalb war es für mich interessant, denn die Instrumente in der Sylvestri- und der Liebfrauenkkirche lassen sich wunderbar spielen“, so Busch. Mit Frank Pirschke und weiteren Organisten wechsele er sich in den Gottesdiensten ab, die jeden Mittwoch und Sonntag stattfinden.

Kennzeichnend für das Gemeindeleben sei die große Teilnahme an den Gottesdiensten. „Von unseren Geschwistern kommen gut 50 Prozent regelmäßig“, sagte Apostel Jens Korbien, der einer von zwei hauptamtlichen Mitarbeitern ist, die die NAK in Mitteldeutschland betreuen. „Alle anderen sind freiwillig, ehrenamtlich und ungeschult tätig“, sagte er. „Innere Überzeugung spielt eine große Rolle.“

Nach der Zusammenlegung gehören der Gemeinde nun mehr als 400 Menschen an. Auch Willi Reinhardt aus Ilsenburg wird nun regelmäßig mit seiner Frau von Ilsenburg nach Wernigerode fahren. „Die Stadt, in der ich aufgewachsen bin. Von daher kehre ich nach Hause zurück“, sagte er. Über seine Meisterin in der Schneiderlehre sei er mit der Konfession erstmals in Kontakt gekommen, habe sich sofort wohlgefühlt. „Dann habe ich in der Gemeinde meine Frau kennengelernt“, erinnerte er sich. Zu DDR-Zeiten habe er keinerlei Repressalien erlebt. „Ich war hier verwurzelt mit meiner Familie und meinem Glauben. Man hat uns weitgehend in Ruhe gelassen“, sagte er.

152 Jahre habe die Gemeinde in Ilsenburg bestanden, zunächst in den umliegenden Orten, dann ab 1912 in der Kirche in Ilsenburg. Sie wurde in der vergangenen Woche entweiht und ist bereits verkauft. Die Orgel bleibt in der NAK, wird in einer anderen Gemeinde erklingen.