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Notfall-Sanitäter Sachsen-Anhalts bester Azubi ist Harzer

Der beste Auszubildende zum Notfall-Sanitäter ín Sachsen-Anhalt ist Harzer. Gelernt hat er in Wernigerode, Halberstadt und Halle.

Von Dennis Lotzmann 17.09.2019, 01:01

Schierke/Ballenstedt l Es gibt Momente, da stellt das Leben die schwersten Prüfungsaufgaben. Oliver Hüber ist das gerade neulich erst passiert. Der angehende Notfall-Sanitäter war am frühen Morgen des 18. Juni gerade von seinem Heimatort Ballenstedt mit dem Auto in Richtung Halle unterwegs und bereitete sich gedanklich auf seine schriftliche Prüfung in Qualitätsmanagement/Recht vor, als er kurz hinter Ballenstedt mit einer ganz realen Prüfung konfrontiert wurde: Am Abzweig nach Radisleben waren zwei Autos kollidiert – „und ich war der erste Helfer vor Ort“, erinnert sich der 23-Jährige.

Es ist 6.30 Uhr, als Hüber an jenem Junimorgen vom Trümmerfeld jäh aus seinen Prüfungsgedanken herausgerissen wird. Er schaltet binnen weniger Augenblicke um und absolviert die Aufgaben eines Ersthelfers. Unfallstelle absichern, Rettungsleitstelle und Polizei alarmieren, den Verletzten im Rahmen der Möglichkeiten helfen. Zwar kann er allein nicht wirklich viel tun, denn vier Männer sind in einem Passat eingeklemmt. Trotzdem weiß er – als Minuten später Feuerwehr, Rettungsdienst und Notarzt an der Unglücksstelle eintreffen – sehr genau, was zu tun ist und wo er anzupacken hat, um den vier Schwerverletzten zu helfen. Was nicht überrascht, denn Oliver Hüber steht nicht nur am Abschluss seiner Sanitäter-Ausbildung, sondern ist seit zehn Jahren auch Mitglied der Ballenstedter Feuerwehr.

„Ich bin später, als vor Ort das Gröbste erledigt war, weitergefahren, um in Halle meine Prüfung zu absolvieren“, erinnert er sich. Die Befürchtung, sie aufgrund des einschneidenden Erlebnisses komplett gegen die Wand zu fahren, täuscht. Er liefert am Ende die beste seiner drei schriftlichen Prüfungen ab, weiß er längst.

Und auch bei den übrigen brilliert Hüber. Mehr noch: Er legt mit einem Noten-Abschlussdurchschnitt von 1,0 sogar die landesweit beste Prüfung an der Johanniter-Akademie in Halle ab. Was nun gewürdigt wird: Kein Geringerer als Innenminister Holger Stahlknecht zeichnet Hüber dafür am Mittwoch, 18. September, aus. Hoch oben auf dem Brocken würdigt der CDU-Politiker die herausragende Leistung.

Für Oliver Hüber ist die Zeugnisverleihung aus Ministerhand im doppelten Sinne schön. Denn er wird obendrein von Pauline Windschügel begleitet. Die 21-Jährige absolvierte bei den Johannitern eine analoge Ausbildung, um künftig als Sanitäterin bei der halleschen Berufsfeuerwehr zu arbeiten und habe ebenso wie er die Prüfungen mit 1,0 abgeschlossen, berichtet der 23-Jährige. Und damit nicht genug: Die beiden sind nicht nur Berufskollegen, sondern seit Jahresbeginn auch privat ein Paar.

Sozusagen Glück im doppelten Sinne. Zur beruflichen Erfüllung kommt auch die private. Was Oliver Hüber ganz dick unterstreicht: „Ich habe hier für mich wirklich meine Berufung gefunden.“

Dabei sei sein Weg bis hierher – wie so oft im Leben – nicht nur geradlinig gewesen. Von 2013 bis 2016 habe er eine Lehre als Tischler absolviert. „Ich habe aber schon in der Ausbildung gemerkt, dass das doch nix für mich ist.“

Folglich habe er, als er den Gesellenbrief in der Tasche hatte, sofort umgesattelt. Dank seines Engagements bei der Feuerwehr und des Kontakts zu Akteuren in der Leitstelle sei er auf die Idee gekommen, eine zweite Ausbildung im Rettungsdienst zu absolvieren. Gleich nach dem Finale in der Tischlerei startete Hüber 2016 beim Eigenbetrieb Rettungsdienst im Harzkreis durch und fand hier seine wirkliche Erfüllung. „Das war“, bilanziert er nun nach der dreijährigen Ausbildung, „die beste Entscheidung, die ich treffen konnte“. In beruflicher und eben auch privater Hinsicht.

Dass Innenminister Stahlknecht sowohl Hüber als auch dessen Freundin auf dem Harzer Gipfel gratulieren kann, ist letztlich dem persönlichen Ehrgeiz des Duos zu verdanken. Beide haben, verrät der 23-Jährige, bei ihrer Ausbildung zum Notfall-Sanitäter einen vergleichsweise gleich guten Abschluss hingelegt. „Die haben sich“, sagt Kai-Uwe Lohse, „in der Ausbildung gegenseitig gepusht“. Wenn es jemand so genau weiß und beurteilen kann, dann ist es Lohse – Harzer Kreisbrandmeister und leitender Mitarbeiter beim Eigenbetrieb Rettungsdienst im Harzkreis in Personalunion.

Dass Oliver Hüber jetzt nach der praktischen Ausbildung in den Rettungswachen Wernigerode und Halberstadt beim Eigenbetrieb Rettungsdienst angestellt ist, versteht sich angesichts dieser Rahmenbedingungen fast von selbst. Seit 1. September läuft der Arbeitsvertrag – „und es macht richtig Spaß“, schwärmt der passionierte Feuerwehrmann und Freizeitsportler.

Wobei sich auch hier der Kreis schließt. Oliver Hüber ist nicht nur Stammgast im Fitness-Studio, sondern auch Starter bei feuerwehrtypischen Wettkämpfen. So beispielsweise beim Kölner Turmlauf, wo es mit voller Ausrüstung und mit Atemschutz über gut und gern 740 Treppenstufen in die 39. Etage geht.

Apropos stürmisch: Das bleibt es bei dem jungen Paar auch im privaten Sinne. Beide starten jetzt mit Euphorie als frisch gebackene Notfall-Sanitäter in ihre Jobs. Die aus Erfurt stammende Pauline Windschügel bei der Berufsfeuerwehr Halle, Oliver Hüber beim Eigenbetrieb im Harz. Privat bleibe es vorerst beim Pendeln zwischen Halle und Ballenstedt. Aber: „Dank unseres Schichtdienstes finden sich genügend Tage, um ausreichend Zeit miteinander zu verbringen“, verrät er.

Wo die Reise die beiden ganz privat hinführen wird, bleibt abzuwarten. Zumindest beruflich hat Hüber schon die nächsten Ziele im Blick. „Erstmal will ich im Alltag Erfahrungen sammeln. Später möchte ich aber mal als Ausbilder und Anleiter arbeiten und selbst unseren Nachwuchs ausbilden“, kündigt er an. Zudem sei irgendwann auch die Tätigkeit als Honorardozent an der Johanniter-Akademie in Halle denkbar.

Dass der 23-Jährige diese Ziele über kurz oder lang erreichen wird, scheint sehr wahrscheinlich, denn „ich bin ein sehr ehrgeiziger Mensch“, wie er sich selbst einschätzt. Was Lohse nur bestätigen kann: „Diese Ausbildung ist kein Zuckerschlecken, da muss man sich schon rein knien. Oliver Hüber, da bin ich sicher, wird seinen Weg gehen.“