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Obdachlosenheim Ein Bett auf Zeit

Elf Menschen sind derzeit im Wernigeröder Übergangswohnheim für Obdachlose unterbracht. Wie sind die Wohnbedingungen in der Einrichtung?

Von Ivonne Sielaff 10.12.2016, 00:01

Wernigerode l Auf dem Flur steht ein einsames Weihnachtsgesteck. Es soll Wärme und Besinnlichkeit in der Adventszeit verbreiten. Tut es aber nicht wirklich. Der Boden ist mit Linoleum ausgelegt. Auf den Türen kleben Zimmernummern: 11, 12, die 13 steht auf dem Kopf. Hinter diesen Türen sind die Ärmsten der Armen untergebracht. Hier leben Wernigerodes Obdachlose.

„Zur Zeit haben wir in der Harburgstraße 1 elf Bewohner“, informiert Nadine Albrecht. Sie leitet im Rathaus die Abteilung Soziale Dienste, ist damit auch für das Obdachlosenheim zuständig. Die Männer und Frauen versorgen sich selbst. „Sie gehen einkaufen, kochen in der Gemeinschaftsküche“, so Nadine Albrecht. Die Bewohner werden nicht mit Mahlzeiten versorgt. Die Hausreinigung sei in einem Plan geregelt. Auch ihre Zimmer müssen die Bewohner selbst reinigen.

Die Räume sind bescheiden eingerichtet. „Wir halten die notwendige Möblierung vor“, beschreibt es Nadine Albrecht. Ein Bett, ein Schrank für die Habseligkeiten, in manchen Zimmern ein Tisch.

Die „spartanische Ausstattung“ war im der Sitzung des Sozialausschusses auf Kritik gestoßen. Johanna Reschke, die sich seit einigen Monaten um einen obdachlosen Mann kümmert, hatte sich zu Wort gemeldet. „Es ist kein Fernseher und kein Aufenthaltsraum im Haus vorhanden. Die Leute können sich in der Adventszeit nicht einmal zusammensetzen.“ Einige müssten ihren Teller auf die Knie stellen, um zu essen, weil sie keinen Tisch auf dem Zimmer haben. „Das ist menschenunwürdig. In jedem Gefängnis steht einen Tisch in der Zelle“, so die engagierte Wernigeröderin.

Das habe Gründe, sagt Nadine Albrecht. Bei manchen Bewohnern habe es Probleme beim Essen gegeben. Speisereste verschwanden im Bett, dreckiges Geschirr blieb auf den Zimmern. „Da ist es uns lieber, wenn in der Küche gegessen wird, wo sich ein kleiner Tisch befindet.“

Zudem habe man im Haus mit Vandalismus zu kämpfen. „Es muss viel ersetzt werden, es geht viel kaputt“, hatte Sozialamtschefin Petra Fietz schon im Sozialausschuss begründet. Vor einigen Jahren habe es einen Aufenthaltsraum mit Couch und Fernseher gegeben, erinnert sich Nadine Albrecht. Die Bewohner hätten sich abends dort versammelt und verbotenerweise Alkohol getrunken. Ein Streit über das Fernsehprogramm sei ausgeartet, der Fernseher durchs Fenster geflogen. „Danach haben wir das Zimmer aufgelöst.“

Man wolle im Heim ohnehin keine „Clubatmosphäre“ schaffen, die Bewohner sollen sich nicht zu wohl fühlen. „Wir sind ein Übergangswohnheim, für Menschen, die in Not geraten sind. Wir wollen Probleme lösen, geben Hilfe zur Selbsthilfe“, so die Verwaltungsmitarbeiterin.

Und Probleme hätten die Bewohner zur Genüge. Ziel sei es, sie wieder an ein Leben in den eigenen vier Wänden zu gewöhnen. „Dafür arbeiten wir eng mit der Suchtberatungsstelle Degenerstraße, dem Sozialpsychologischen Dienst, der Betreuungsbehörde, der KoBa, der Schuldnerberatung sowie mit den ehrenamtlichen Betreuern zusammen.“

Die Aufenthaltsdauer der einzelnen Bewohner sei unterschiedlich lang. Bis zu sechs Monate dürfen Notsuchende in der Harburgstraße unterkommen. „Das lässt sich jedoch oft nicht halten“, sagt Nadine Albrecht. „In Wernigerode ist es unheimlich schwierig, günstigen Wohnraum zu finden.“ Obdachlosigkeit mache vor keinem Berufsstand, vor keinem Alter halt. „Unsere Bewohner haben die unterschiedlichsten Hintergründe. Viele von ihnen haben psychologische Probleme.“

Die Kritik von Johanna Reschke nehmen Nadine Albrecht und Petra Fietz ernst. „Aber man muss dazu sagen, dass wir regelmäßig und ohne Vorankündigung vom Gesundheitsamt kontrolliert werden.“ Die Zimmer der Bewohner werden von den Mitarbeitern täglich überprüft.

Die Mitglieder des Sozialausschusses wollen sich nun selbst ein Bild von den Bedingungen im Wohnheim verschaffen. „Ich bin froh, dass es in Wernigerode eine solche Einrichtung gibt“, so Johanna Reschke. „Dass niemand gezwungen ist, auf der Parkbank im Freien zu schlafen.“ Besonders wichtig, das habe sie erfahren, sei es aber, diesen Leuten zuzuhören und ihnen als Mensch Beachtung zu schenken.