1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wernigerode
  6. >
  7. Heimbewohner zahlen Zeche

EIL

PflegereformHeimbewohner zahlen Zeche

Die Kosten für einen Platz in Wernigeröder Altersheimen sind deutlich gestiegen. Ursache ist die jüngste Pflegereform.

Von Julia Bruns 08.01.2018, 00:01

Wernigerode l Nein, sie habe nicht mehr Personal eingestellt. Das macht Sandra Lewerenz, Geschäftsführerin der Gesellschaft für Sozialeinrichtungen in Wernigerode (GSW), gleich deutlich. "Es steht den Bewohnern unserer Pflegeheime eine ordentliche Erhöhung ihrer Heimkosten ins Haus", sagt die 46-Jährige. "190 bis 290 Euro mehr im Monat müssen sie für einen Heimplatz zahlen." Doch nicht etwa Investitionen oder mehr Personal sind die Ursache für die deutlich gestiegenen Kosten. Sandra Lewerenz: "Das ist die Auswirkung des Pflegestärkungsgesetzes 2."
Die Kassenleistungen seien für einen Bewohner mit Pflegegrad 2 radikal gekürzt worden. "Mindestens 80 Prozent der Menschen, die in einem unserer Heime neu aufgenommen werden, wurden vom medizinischen Dienst in den Pflegegrad 2 eingestuft", erläutert sie. Für diesen Grad der Einschränkung zahlt die Pflegekasse lediglich 770 Euro pro Monat an die GSW. Nach alter Gesetzgebung habe diese Einstufung der Pflegestufe?1 entsprochen. "Dafür haben wir 1.034 Euro erhalten. Da die Personalkosten gleich bleiben, müssen wir die Bewohnerbeiträge erhöhen." Aktuell koste ein Heimplatz im Schnitt 1.400 bis 1.500 Euro pro Monat. "Die Senkung der Kassenleistung wird dazu führen, dass immer mehr Bewohner auf Sozialhilfe angewiesen sind", vermutet sie. "Die Rente wird komplett abgeschmolzen."
Die Politik habe mit der Reform bewirken wollen, dass Menschen mit Pflegegrad 2 länger zuhause bleiben und ambulante Pflegedienste nutzen. "Aber jemand, der dement ist und nachts das Haus orientierungslos verlässt, kann nicht einfach so alleine und unbetreut wohnen", sagt die gebürtige Eisleberin, die die GSW seit 2016 leitet. "Es ist eine bittere Pille, die wir schlucken mussten."
Briefe, E-Mails und Anrufe erreichten sie täglich von aufgebrachten Angehörigen. "Ich höre mir alles in Ruhe an, ich beantworte alle Fragen und lege meine Kalkulation gerne offen, denn wir haben nichts zu verstecken", sagt sie.
20 Millionen Euro Umsatz macht die GSW. "Davon sind 16 Millionen Euro allein Personalkosten. Unser Personalschlüssel ist derselbe wie im vorherigen Jahr" so Sandra Lewerenz. 512 Mitarbeiter zählt die städtische Tochtergesellschaft. Stationär werden in den fünf Pflege- und Seniorenheimen etwa 600 Menschen betreut.
Das Pflegestärkungsgesetz 2 gilt als bisher größte Reform in der Pflege. Die drei Pflegestufen wurden zum Januar 2017 von fünf Pflegegraden abgelöst. Je höher ein Pflegegrad, desto unselbstständiger der Betroffene und umso mehr Leistungen erhält er von der Pflegekasse. Den Grad prüfen Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung. Vergleich für stationäre Pflege im Altersheim -     früher Pflegestufe 1: 1.064 Euro, neu Pflegegrad 2: 770 Euro, entspricht Kürzung um 294 Euro.