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Schnelles Internet Lahmer Breitbandausbau frustriert Harzer

Fehlende Transparenz, Zweifel an der Leistungsfähigkeit und Termintreue: Harzer Unternehmer sorgen sich um zügigen Breitbandausbau rund um Blankenburg.

Von Dennis Lotzmann 06.12.2018, 00:01

Blankenburg/Halberstadt l Wenn Otto Sievers größere Datenmengen aus der Glasmanufaktur „Harzkristall“ in Derenburg an Kunden versenden möchte, nimmt der Betriebsleiter einen Briefumschlag, verstaut darin einen USB-Stick und verschickt ihn mit der Post. Das ist Datentransfer im Jahr 2018 mitten im Harz – im Dreieck Blankenburg-Halberstadt-Wernigerode. Als Sievers das Warenwirtschaftssystem eines der Harzer Tourismusmagneten schlechthin nicht internetbasierend aufbauen ließ, sondern althergebracht den benötigten Server lokal beließ, wurde er von Kollegen aus anderen Regionen nur belächelt.

Aber was soll er auch tun: „Ich kann an unserem Standort maximal über LTE eine Internetverbindung aufbauen und hoffen, dass sie eine Dreiviertelstunde stabil bleibt“, beschreibt der Betriebsleiter das Problem. Das Versenden von Standard-Bildformaten oder ein Update für die Buchhaltungssoftware sind nahezu unmöglich. „Jede Partei schwingt im Wahlkampf große Reden zum Breitbandausbau. Doch die Realität sieht komplett anders aus. Alle reden über Wirtschaft 4.0. In der Realität ist es nicht mal 1.0“, macht der Manager seinem Ärger Luft. Und damit steht er nicht allein.

Auch Ralph Weitemeyer, der nicht nur ein Rekordjahr beim Absatz seiner Mineralwässer und Erfrischungsgetränke erzielt, sondern auch mit dem Bau einer neuen Betriebsstätte in Blankenburg begonnen hat, kennt die Probleme zur Genüge. „Nur keine großen Dateien per E-Mail verschicken“, lautet die Devise in seinem Unternehmen. „Denn sie gehen ohnehin nicht durch“, weiß der Chef der Harzer Mineralquellen GmbH. Holger Neubert, der von Blankenburg aus seine Versandapotheke ausbauen wird, ist richtig sauer. „Unsere Konkurrenzfähigkeit hängt von einem ordentlichen Internetanschluss ab. Deshalb brauchen wir hier keine großen Reden, sondern umsetzbare Lösungen“, so Neubert.

Die sind eigentlich in Sicht: aber bislang nur auf dem Papier. 2016 hatte die Harzer Kreisverwaltung mit Fördermitteln von Bund und Land den kreisweiten Breitbandausbau ausgeschrieben. Zum Zuge kamen zwei Bewerber: Die Deutsche Telekom, die beispielsweise die Blankenburger Innenstadt als eine der ersten im Harzkreis, in Rekordtempo und wirtschaftlich eigenständig mit schnellem Internet versorgt hat, und die Mitteldeutsche Kommunikations GmbH (MDDSL) aus Magdeburg.

Beide Unternehmen haben laut Förderverträgen die Zuschläge für unterschiedliche Gebiete im Kreis. In Blankenburg entstand die paradoxe Situation, dass die Innenstadt bereits schnelles Internet hat, aber die Gewerbebetriebe in den Außenbereichen eben nicht. So wie beispielsweise Dirk Brandenburg, der Chef der Havelländischen Eisenbahn (HVLE). „Wenn ich im Internet arbeiten muss, fahre ich schnell nach Hause“, sagt er.

Ihn und seine betroffenen Kollegen treibt die große Sorge um, dass sich diese Situation alsbald nicht ändern wird. Denn obwohl der Netzausbau mit superschnellem Internet für die bislang unterversorgten Gebiete in Auftrag gegeben wurde, hegen die Unternehmer die starke Vermutung, dass MDDSL den vereinbarten Termin nicht halten könnte.

Auf Initiative von Blankenburgs Bürgermeister Heiko Breithaupt (CDU) hat sich deshalb eine Front formiert, die endlich Klarheit fordert. „Alle Unternehmen sind nicht nur auf die Autobahn 36 vor unserer Haustür angewiesen, sondern zwingend auf die Datenautobahn“, macht Breithaupt deutlich. „Kein Lkw kann bei den Harzer Mineralquellen vom Hof fahren, wenn nicht die Bestellungen ausgelöst wurden. Die modernen Loks der HVLE benötigen regelmäßig Sicherheits-Updates“, zählt er einige Beispiele auf. „Ohne schnelles Internet geht es nicht mehr.“

Deshalb müssten die vereinbarten Termine auch eingehalten werden. „Leider haben einige Unternehmen erfahren müssen, dass in der Kommunikation mit MDDSL nicht der Eindruck erweckt wurde, dass alle Fragen zum Internetausbau beantwortet werden konnten. Wir haben nicht verspüren können, dass hier unternehmerisches Handeln im Vordergrund steht“, umschreibt es Breithaupt. „Wir sind hoch unzufrieden“, so Breithaupt: „Und das ist schon sehr diplomatisch ausgedrückt.“

Auf deutsch: Bei MDDSL seien weder ein persönlicher Ansprechpartner zu erreichen, noch kompetente Auskünfte zu erhalten. Deshalb fordern die Blankenburger eine fachlich fundierte Aussage, dass – wie vertraglich vorgesehen – bis spätestens Januar 2020 der Breitbandausbau abgeschlossen ist. „Wir benötigen Verlässlichkeit. Sonst können wir keinen Umstellungsprozess vollziehen. Das ist ja kein Umstecken von einem Stecker“, macht Otto Sievers deutlich und übt zudem Kritik am Ausschreibungsverfahren, das die Harzer Kreisverwaltung geführt hat.

Für Breithaupt hat sich der Eindruck erhärtet, dass der ländliche Raum von der Entwicklung weiter abgekoppelt werde, da wohl die wirtschaftlichen Interessen eines Netzanbieters in den größeren Städten weitaus größer seien, als auf dem Land. Kristina Ehlert, die in Blankenburg ein Stahlbauunternehmen leitet, sieht deshalb die Politik in der Pflicht: „Wir benötigen eine Pflicht zur Netzabdeckung, auch im ländlichen Bereich, so wie bei Strom und Wasser auch. Das muss gesetzlich vorgeschrieben werden“, fordert sie.