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Sozialdezernent Jurist mit Schwäche für Zahlen

Er ist der Neue: Christian Fischer leitet das Dezernat für Gemeinwesen in Wernigerode. Der Jurist legt Wert auf schnelle Entscheidungen.

Von Julia Bruns 26.05.2017, 01:01

Wernigerode l „Wir schmücken uns mit dem Zitat ‚bunte Stadt am Harz‘, weil wir jung und alt, Menschen mit Kindern und ohne Kinder, weil wir Arme und Reiche in der Stadt haben“, sagt Christian Fischer. Diesen Menschen fühlt sich der 42-Jährige verpflichtet. Seit Mitte Mai ist er der neue Dezernent für Gemeinwesen in Wernigerode.

Der gebürtige Magdeburger, der in Staßfurt aufgewachsen ist, folgt damit auf Andreas Heinrich, der nach mehr als 26 Jahren Ende 2016 in den Ruhestand verabschiedet wurde. „Ich haben einen Heidenrespekt davor, was er hier geschaffen hat“, sagt Fischer. Das Dezernat, das mit 350 Mitarbeitern – darunter alleine 200 Erzieher – die größte Abteilung der Stadtverwaltung ist, wolle er nicht von heute auf morgen revolutionieren. „Ich bin nicht die Speerspitze des Fortschritts, werde Sachen gleichwohl anders angehen“, kündigt er an.

Bereits an seinem ersten Arbeitstag machte er leitenden Mitarbeitern deutlich, was er erwartet: Entscheidungen. „Sie können auch mal falsch liegen, aber sie sollten Entscheidungen treffen, statt aufzuschieben.“

Gut möglich, dass dieser Führungsstil von Wolfgang Böhmer (CDU) inspiriert ist. Vier Jahre lang, von 2006 bis 2010, war er Büroleiter des einstigen Ministerpräsidenten. „Als Chefarzt konnte er unwahrscheinlich gut Wesentliches von Unwesentlichem unterscheiden und schnell Entscheidungen fällen“, verrät Christian Fischer. „Es war eine lehrreiche und prägende Zeit.“

Prägend sei auch die Zeit als Rechtsrefendar in Südafrika gewesen. Nach dem Jurastudium in Halle und Wien verbrachte er 2002 ein Jahr in einer deutschen Kanzlei in Pretoria. Bis heute fühlt er sich dem Land verbunden. Erst im Februar war er mit seiner Frau und den drei Kindern wieder in Johannesburg.

Reisen – das findet für ihn außerhalb von Hotels und Ferienanlagen statt, lieber mitten unter den Einheimischen, gerne mit einer besseren Kamera im Gepäck. Die Familie ist übrigens katholisch. Und ja, der Gedanke liegt nahe – Christian Fischer ist in der CDU, trennt die Parteipolitik aber strikt von seinem neuen Job. „Als Dezernent will und kann ich nicht parteipolitisch agieren“, stellt er im Gespräch mit der Volksstimme klar. „Ich bin vor allem geprägt durch Recht und Gesetz – und durch die Steuer.“ Denn der Jurist hat in den Finanzämtern Quedlinburg und Staßfurt im höheren Steuerverwaltungsdienst gearbeitet. „Die Stelle als Dezernent ist für mich also kein völliger Neuanfang. Ich habe sehr wohl Erfahrung im Führen größerer Verwaltungseinheiten“, sagt er.

Zuletzt war Christian Fischer Pressesprecher und Referatsleiter im Innenministerium – zuvor Justiziar im Personalreferat, hatte dort auch mit „unschönen Dingen wie Dienstunfällen und Regressforderungen“ zu tun. „Es ist nicht das Wohlfühlministerium. Es geht um die Unterbringung von Flüchtlingen, Kommunen, Polizei – das sind herausfordernde Themen.“

Seine Welt? Das sind eindeutig die Zahlen. „Zahlen sind ehrlich – aber auch brutal“, sagt er. Und sie seien schwarz und rot, zumindest wenn es um den Haushalt geht. „Meine Kernaufgabe sehe ich darin, trotz der Herausforderungen des Haushalts, die Vielfalt unserer Stadt zu erhalten. Auch im Widerstreit mit anderen Projekten“, sagt er. Mehr Geld werde die Verwaltung in Kindergärten und Schulen investieren müssen. „Wir müssen unsere Schulen ins 21. Jahrhundert führen, neue Medien in die Klassenzimmer bringen“, ist Christian Fischer überzeugt.

Handlungsbedarf sieht er auch in Silstedt: „Die Grundschule ist zu klein.“ Im Harzblick regne es durch ein Dach in der Turnhalle. „Außerdem sind wir in Wernigerode mit Kindertagesstätten unterversorgt. Wir müssen uns überlegen, wie wir Geld für den Bau einer zusätzlichen Einrichtung in den Haushalt stellen.“

Das seien keine freiwilligen Aufgaben, sondern Pflicht. „Die Eltern haben ein Recht auf Betreuung und darauf, dass ihre Kinder in den Schulen adäquat untergebracht sind“, sagt er, und man hört den Juristen durchklingen. Nebenamtlich ist Christian Fischer übrigens als Richter am Sozialgericht in Magdeburg tätig. Außerdem ist er Lehrbeauftragter der Hochschule Harz im Modul Personalwesen.

In den ersten 100 Tagen wolle er jede einzelne Einrichtung in Wernigerode und den Ortsteilen besuchen und sich so ein genaues Bild machen. „Auch Sportvereine, Einrichtungen, die nicht zur Verwaltung gehören, wie die des DRK, des Internationalen Bunds und freier Träger“, sagt er.

Auch das sei Teil seiner Führungskultur – mit den Menschnen direkt ins Gespräch kommen und offen miteinander reden.