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Sozialdezernent Stolz auf Wernigerodes Vielfalt

Wernigerodes Sozialdezernent Andreas Heinrich wird in den Ruhestand verabschiedet. Wie kaum ein Zweiter hat er die Stadt nach 1990 geprägt.

Von Katrin Schröder 20.12.2016, 00:01

Wernigerode l Auf dem Schreibtisch von Andreas Heinrich stapeln sich die Papiere. Noch sieht es nicht danach aus, als ob der Sozialdezernent sein Büro bald räumen würde. „Ich habe noch einiges zu erledigen“, sagt der 63-Jährige. Ende des Jahres geht Heinrich in Ruhestand – nach mehr als 26 Jahren, in denen er Wernigerodes Stadtverwaltung und die Stadt geprägt hat wie wenige.

Am 1. Juni 1990 trat Heinrich seinen Dienst an. „Ich war nach der Wende der erste Neue überhaupt im Rathaus“, sagt Heinrich, der sich im Neuen Forum und am Runden Tisch für die friedliche Revolution engagiert hat. In der Verwaltung herrschte große Unruhe, die Mitarbeiter waren verunsichert. Viele praktische Fragen waren zu klären. Zum Beispiel musste er die Bauarbeiten im Wohngebiet Harzblick stoppen. „Die Bodenplatten der letzten Blocks waren bereits gegossen.“ Die Fundamente ruhen bis heute im Erdreich.

Der Wohnungsmarkt beschäftigte Andreas Heinrich über Jahre. Alteigentümer bekamen Häuser zurück, Plattenbauten wurden an neue Eigentümer übertragen, bis Mitte der 1990er-Jahre herrschte Wohnungsnot. „Wir haben mit viel Zeit- und Kraftaufwand und mit hohem Adrenalinspiegel gearbeitet“, erinnert sich Andreas Heinrich. Er spielte Geburtshelfer für die Gebäude- und Wohnungsbaugesellschaft Wernigerode (GWW), die Stadtwerke und die Gesellschaft für Sozialeinrichtungen (GSW). „Damals war der Trend, soziale Arbeit an freie Träger abzugeben“, sagt der Dezernent. Doch Wernigerode sei bewusst einen anderen Weg gegangen.

Andere Entscheidungen haben ebenfalls bis heute Bestand – zum Beispiel die Konzentration der Kultureinrichtungen am Klint. Allerdings war in den 1990er-Jahren manches einfacher, zum Beispiel in Sachen Fördergeld. „An einem Tag haben wir Anträge im Wert von zehn Millionen D-Mark gestellt“, berichtet Heinrich. Drei Monate später war das Geld da, von dem unter anderem die Schwimmhalle gebaut wurde.

Damals wurde die Basis für die Erfolgsgeschichte der Stadt geschaffen. „Dass Wernigerode sich so entwickelt hat, ist ein Geschenk“, sagt Andreas Heinrich. Den Weg haben Vorgänger wie der ehemalige Stadtchef Martin Kilian bereitet. „Wir als Stadtverwaltung haben manches richtig gemacht und wenig Fehler begangen.“

Ein Meilenstein war die Landesgartenschau 2006. Andreas Heinrich wurde neben Erhard Skupch Chef der Gartenschaugesellschaft und koordinierte die vielen Partner des Gemeinschaftswerks. „Das war eine Erfahrung fürs Leben“, so Heinrich. Reichlich Schlagzeilen und schöne Bilder haben für die Stadt geworben, die Besucherzahlen stiegen auf Dauer. „Und in der Bürgerschaft ist etwas passiert“ – der Stolz auf das Erreichte habe die Menschen zusammengebracht.

Ähnlich habe 2014 der Sachsen-Anhalt-Tag gewirkt – „in der Vorbereitung aufwendig wie die Gartenschau, nur dass nach drei Tagen alles vorbei war“, sagt Heinrich. Doch es war Zeit für einen neuen Schub, das Ergebnis war die Mühe wert. „Noch heute sagen mir Wernigeröder: ,Es war toll.‘“

Neue Entwicklungen wird der Pensionär in spe als Zuschauer erleben. „Er wird uns fehlen“, sagt Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos), der den scheidenden Dezernenten als „integer, aufrichtig und loyal“ lobt. „Andreas Heinrich verkörpert wie kaum ein Zweiter seine, unsere Stadt.“ Amtsvorgänger Ludwig Hoffmann (SPD) schätzt an Heinrich seine Kompetenz und seinen Mut. „Er hat Probleme nie nur vom Schreibtisch aus gelöst.“

Man müsse erhalten, was die Stadt ausmacht – die Vielfalt und Lebendigkeit, sagt Heinrich. Und es wäre gut, wenn es gelänge, Schierke in den Fokus zu bringen, sodass es „ein großes, gemeinsames Ziel wird. Das wäre jetzt dran.“

Fehlen wird ihm die Arbeit in den Aufsichtsräten der kommunalen Gesellschaften. „Dort wird sachorientiert, zum Wohl der Gesellschaft gearbeitet.“ Langweilen wird sich Heinrich im Ruhestand jedoch kaum. Er ist Gemeindeleiter der evangelisch-freikirchlichen „Arche“, will bei den Pfadfindern einsteigen. Außerdem arbeitet er beim „Indianercamp“ mit – einer Ferienfreizeit für Kinder von Strafgefangenen. Und dann sind da die Enkel, die ihren Großvater häufiger sehen werden – sobald er seinen Schreibtisch geräumt hat.