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Sozialeinrichtung Mehr als nur ein Wohnheim

Vor 30 Jahren zogen die ersten Menschen mit Behinderung im Wohnheim Plemnitzstift in Wernigerode ein. Zum Jubiläum feiern sie eine Party.

Von Holger Manigk 05.01.2017, 00:01

Wernigerode l Horst-Günther Koch ist seit 30 Jahren im Behindertenwohnheim Plemnitzstift in Wernigerode zu Hause. Der 64-Jährige war einer von sieben Bewohnern der ersten Stunde im Haus gegenüber des Waldhofbades. „Wir haben damals selbst mitgeholfen, die Möbel in die Zimmer zu räumen und haben manchmal Kohle für die Heizung geschippt“, erinnert sich der Wernigeröder.

Im Heim, das heute von der Gemeinnützigen Gesellschaft für Sozialeinrichtungen Wernigerode betrieben wird, lernte er seine Frau Margot kennen. „Bei unserer Hochzeit 1990 war der erste Heimleiter Klaus-Dieter Krebs Trauzeuge“, sagt Koch. Nachdem Margot 2008 starb, fand er mit der Heimbewohnerin Angela eine neue Freundin. Da sie kaum alleine gehen kann, begleitet er sie oft zum Bummel in die Innenstadt.

Im Behindertenwohnheim habe sich viel zum Positiven für die Bewohner verändert, so Koch: 1987 mussten sie sich noch eine Toilette und eine Dusche auf dem Flur oder auf dem Treppenabsatz teilen. Das Haus diente damals auch als Seniorenwohnheim, berichtet Mike Horn. Der stellvertretende Heimleiter sagt, Behinderte seien damals in der öffentlichen Wahrnehmung in Wernigerode kaum vorgekommen.

„Die meisten unserer Heimbewohner hatten einen Job in geschützten Abteilungen bei größeren Betrieben – etwa im Elmo-Werk oder in der Möbelfabrik am Ochsenteich.“ Inzwischen arbeiten fast alle der aktuell 29 Plemnitzstift-Bewohner in einer Werkstatt der Lebenshilfe am Dornbergsweg in Wernigerode.

Auch im Haus hat sich viel getan. Von 2002 bis 2003 wurde das alte Backsteingebäude umgebaut. Seitdem stehen den Bewohnern Sport- und Kreativräume im Keller, helle und moderne Zimmer, sowie ein Fahrstuhl zur Verfügung. „Ich fühle mich wohl“, sagt Viola Wallnisch. Sie wohnt seit 1987 im Plemnitzstift. „Ich hatte jahrelang meinen Wellensittich Felix als Zimmergenossen – der konnte sogar sprechen.“ Für sie sei die Gemeinschaft im Wohnheim wichtig, sagt Mike Horn. „Viola lädt häufig andere Bewohner auf einen Cappuccino und einen kleinen Schwatz oder zu einem Märchenfilm auf ihr Zimmer ein.“

Die Heimbewohner haben viel Mitspracherecht im Haus, so der stellvertretende Leiter der Einrichtung. „Wir gestalten den Alltag so demokratisch und inidividuell wie möglich.“ Dazu gehöre der Heimbeirat, der sich um Probleme im Miteinander kümmert – etwa wenn ein Bewohner ein schmutziges Bad hinterlässt oder beim Küchendienst schludert. „Außerdem können sie ihre Sorgen im Kummerkasten loswerden.“ Wichtig sei jedoch für jeden der geistig und mehrfach behinderten Menschen sein Bezugsbetreuer. „Dem vertraut man am schnellsten seine Sorgen und Nöte an“, sagt Mike Horn.

Er habe in den 30 Jahren, die er im Heim arbeitet, eine enge Bindung zu vielen Bewohnern aufgebaut. „Wenn jemand krank wird oder ein Problem hat, mache ich mir auch nach Feierabend zu Hause darüber Gedanken“, sagt der 53-Jährige. Doch kleine Erfolge – wie die erfolgreiche Augen-Operation bei Viola Wallnisch, nach der sie wieder besser sehen kann – seien für ihn Momente, die das Leben in den Wohngruppe ausmachen.

Solche bieten auch die gemeinsamen Urlaubsreisen der Heimbewohner – etwa nach Leifers in Südtirol oder nach Rerik an der Ostsee. „Im Gemeinschaftsraum hängt zudem ein Kulturplan aus, wir veranstalten heute eine Feierstunde mit anschließender Party mit allen unseren Bewohnern, auch denen vom Außenwohnbereich“, sagt Mike Horn. Seit dem vergangenen Jahr sei es für die Bewohner auch möglich, als Rentner im Plemnitzstift zu wohnen. „Viele wollten bei uns bleiben, deshalb bieten wir ihnen Beschäftigung in der Tagesförderung an“, so der Vize-Heimleiter.