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Stadtrat Kulturkirche - wer ist befangen?

Wernigerode kratzt Reserven zusammen, um den Haushalt auszugleichen. Kann die Stadt eine Million Euro zur Kulturkirche beisteuern?

Von Ivonne Sielaff 16.03.2018, 00:01

Wernigerode l Ein Projekt sorgt gerade ordentlich für Zündstoff: Wernigerode soll eine Million Euro für den Umbau der Liebfrauenkirche zur Veranstaltungsstätte zuschießen. Die Entscheidung treffen die Stadträte. Aber wer darf überhaupt abstimmen, und wer ist befangen?

Das Gotteshaus hat erst kürzlich für einen Euro den Besitzer gewechselt. Neuer Eigentümer ist die Kulturstiftung Wernigerode. Deren Vorstand Rainer Schulze sitzt für die SPD im Stadtrat. Ebenso wie Siegfried Siegel, der als Chef des Gemeindekirchenrats St. Sylvestri und Liebfrauen das Kaufgeschäft mit über die Bühne gebracht hat. Die Vorlage, über die die Stadträte demnächst beraten sollen, wurde von Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos) unterzeichnet, der im Kuratorium der Stiftung sitzt.

Umstände, die bei einigen Stadträten Empörung ausgelöst haben. Es sei „eine unglaublich unerträgliche Verquickung von Interessen“, entfuhr es Christian Härtel (Linke) in der Hauptausschusssitzung am Mittwoch. Seine Fraktion fordere „umgehend“ Personallisten des Stiftungsbeirats und des Gemeindekirchenrats. Auch Sabine Wetzel (Bündnis 90 /Die Grünen) verlangte Aufklärung.

Stadtratspräsident Uwe-Friedrich Albrecht (CDU) hat bereits die Kommunalaufsicht eingeschaltet – auf Bitte von anderen Mitgliedern des Stadtrats, wie er gegenüber der Volksstimme informiert. Die Aufsichtsbehörde in Halberstadt hat ihrerseits die Stadt um einen „Sachstandbericht“ gebeten. Der Bericht liege aber noch nicht vor, so Birgit Fabian auf Volksstimme-Nachfrage. Das Kommunalverfassungsgesetz schreibe eindeutig vor, in welchen Fällen für Stadträte ein Mitwirkungsverbot bei Diskussionen und Beschlüssen gelte – nämlich dann, wenn eine Entscheidung für sie von „wirtschaftlichem oder besonderem persönlichen Interesse“ ist. Ein Beschluss, der diese Vorschriften verletze, sei unwirksam, so die Mitarbeiterin der Kommunalaufsicht.

„Wir werden das sauber prüfen“, versicherte Stadtjustiziar Rüdiger Dorff im Hauptausschuss. Rainer Schulze sei in seiner Funktion als Stiftungsvorstand befangen, Siegfried Siegel als Chef des Gemeindekirchenrats eher nicht. Im Zweifel sei es aber besser, „lieber weniger zu sagen“, so Dorff.

Doch damit gibt sich Christian Härtel nicht zufrieden. Der wirtschaftliche Vorteil für die Kirchgemeinde liege auf der Hand, so der Linke-Politiker. „Die Kirche hat ein Interesse daran, dass das Projekt vom Steuerzahler gestemmt wird.“ Sollte die Finanzierung nicht zustande komme, falle die Kirche an die Gemeinde zurück.

Zudem stellt Härtel die Vorlage generell in Frage. Die Stadt mache bis 2021 „fünf Millionen Euro Miese“, so Härtel. „Und auf Drängen von irgendwelchen Gruppierungen wird plötzlich eine Million Euro freischwingende Masse frei? Und der OB als Kuratoriumsmitglied unterschreibt das?“

Peter Gaffert zeigte sich daraufhin „erschüttert“. So könne man mit einem „solch positiven Projekt“ nicht umgehen. „Ich möchte wissen, ob die Stadt bereit ist, sich dieser Aufgabe zu stellen, deshalb habe ich die Vorlage eingebracht.“ Niemand soll dadurch ein Vorteil verschafft werden. Für die weitere Diskussion bitte er um Sachlichkeit.

Die Linken kündigen indes an, eine namentliche Abstimmung zum Zuschuss für die Kulturkirche beantragen zu wollen. „Damit die Bürger und die Kommunalaufsicht wissen, wer abgestimmt hat und wer nicht“, so Härtel.

Hintergrund: Die Kulturstiftung will die Liebfrauenkirche in einen Konzertsaal mit über 500 Plätzen umbauen. Hauptnutzer soll das Philharmonische Kammerorchester sein. Rund 5 Millionen Euro sind für den Umbau notwendig. Knapp 4 Millionen kommen als Förderung vom Land. Den Rest müsste die Stadt beisteuern.