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Straßenverkehr Mit 82 Jahren noch fit hinterm Steuer

Wie fit sind Wernigeröder Senioren im Straßenverkehr? Diese Frage ist Mittelpunkt eines freiwilligen Kurses.

Von Regina Urbat 24.04.2019, 01:01

Wernigerode l Wie im Flug vergehen die zwei angesetzten Stunden. Ein Zeichen dafür, dass diese Veranstaltung für alle Beteiligten ein Erfolg war: für die Mitglieder der Seniorenvertretung Wernigerode und den Fahrschullehrer Torsten Arndt. Ihr gemeinsames Ziel, das richtige Verhalten im Straßenverkehr aufzufrischen, „wurde mehr als erreicht“, schätzte Hartmut Unger ein. Das Vorstandsmitglied der Seniorenvertretung ging sogar noch einen Schritt weiter: „Wir sollten solch einen freiwilligen Kurs unbedingt wiederholen. Es bietet sich an, dass wir uns dann auf bestimmte Themen noch mehr konzentrieren.“ Und: „Es sollten sich ruhig mehr ältere männliche Autofahrer beteiligen.“
Das Spektrum bei der Erstauflage war sehr umfassend. Es reichte vom Paragraf 1 - gegenseitige Rücksichtnahme im Straßenverkehr - über Vorfahrtsregeln bis hin zu Verkehrsschilderkunde, Geschwindigkeitsbegrenzungen und technischen Assistenten. Zuletzt wurde in der Praxis noch gezeigt, wie man am besten Lenkrad und Sitz im Fahrzeug einstellen sollte.
„Es war alles sehr aufschlussreich und gut erklärt“, sagt Helga Helmstedt. Die 82-Jährige war in gewisser Weise kein Newcomer und hatte selbst den Vorschlag für solch eine Auffrischung gemacht. „Ich nehme jedes Jahr eine Fahrstunde, um zu testen, wie fit ich noch bin“, sagt die Wernigeröderin. Nun konnte sie diesen Test in der Theorie vollziehen und hatte, wie auch viele anderen Frauen und Männer, zu fast allen Themenkomplexen konkrete Fragen. Die Teilnehmer debattierten oftmals lebhaft und ungezwungen, fast wie bei einem Kaffeekränzchen. „So soll es auch sein“, sagt Torsten Arndt, der diese Art Auffrischung von Fahrschulwissen zum ersten Mal ausgetragen hat.
Die Probleme, die sich aufzeigten, „sind keine typischen für Senioren“, sagt der 47-Jährige. Zum einen begründete der Lehrer die Fehler, beispielsweise bei Vorfahrtsregeln, damit, dass die meisten Älteren ihren Führerschein zu DDR-Zeiten erworben und „es scheinbar mal anders gelernt haben“. Zum anderen sei es eher Unsicherheit als Unwissenheit.
Deutlich wurde dies beispielsweise beim Einräumen der Rechte für Fußgänger. „Immer wenn ihr blinkt und abbiegen wollt, ist zu beachten, dass der Fußgänger Vorrang hat, die Straßen zu überqueren“, sagt Torsten Arndt und schien zu wissen, wie das Publikum reagieren würde. „Aber die Leute gehen ja nicht, sie warten“, sagt eine Frau. Eine andere entgegnet, dass sie selbst lieber am Straßenrand stehen bleibe und den Autos den Vorzug gebe. „Ja, das ist genau so, weil nämlich alle an ihrem Leben hängen“, so der Fahrlehrer in seiner lockeren Art und beschwichtigte, dass er selbst den Vorrang als Fußgänger nicht herausfordern würde.
Oftmals hieß es bei den Erläuterungen und Tipps, die Arndt den Senioren mit auf den Weg gab: „Das hätte ich nicht gedacht.“ Und gerade deshalb waren sie ja auch gekommen. Nur eine Frage, die konnte der Fahrlehrer ihnen nicht beantworten: Wann sollte man seinen Führerschein abgeben? „Das ist wohl die schwerste Lebensentscheidung, die man treffen muss“, sagt Arndt.
Es gebe keine Faustregeln, jeder müsse selbst für sich einschätzen, ob er sich geistig und körperlich in der Lage fühlt, am Straßenverkehr teilzunehmen. Plötzlich herrschte nachdenkliche Ruhe im Schulungsraum, bis sich Helga Helmstedt zu Wort meldete: „Ich habe für mich beschlossen, wenn aus dem oberen Küchenschrank etwas unverhofft heraus fällt und ich es nicht auffange, dann gebe ich meinen Führerschein ab.“ Diese „Gewürzregal-Methode“ erntete Beifall, sie gefiel den Kursteilnehmern und auch dem Fahrschullehrer. Um sicher zu sein, empfahl Arndt den Senioren eine Extra-Fahrstunde, so wie es Helga Helmstedt seit Jahren praktiziert.