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Tradition Geschichten von der „Hochtied“

Einmal im Monat treffen sich Harzer, um auf Platt zu schnacken - beim Stammtisch im Familien- und Seniorenhaus Steingrube 8 in Wernigerode.

Von Katrin Schröder 18.10.2016, 01:01

Wernigerode l Die junge Frau lächelt in die Kamera, unter ihrem Brautschleier wellt sich volles, dunkles Haar. „Wir haben 1952 im Rathaus geheiratet“, sagt Erika Spannuth über das Foto im hölzernen Rahmen. Die Wernigeröderin hat ihr Hochzeitsbild, das sie an der Seite ihres Manns Georg zeigt, zum Plattdeutsch-Stammtisch mitgebracht – passend zum Motto: „Hochtied machen, dat is wunderschön!“ Beim Treffen im städtischen Senioren- und Familienhaus in der Wernigeröder Steingrube drehte sich zuletzt alles um den schönsten Tag im Leben – und das auf Harzer Platt.

Über die Ehe könne fast jeder etwas sagen, findet Erika Spannuth. „Dat is en lustiges Thema und dolle interessant“, sagt die 84-Jährige, die in Sachen Mundart eine Autorität ist. Mehr als 20 Jahre lang hat die frühere Erzieherin den Kindern der August-Hermann-Francke-Grundschule das Harzer Platt beigebracht. Ihre „Hasseröer Kramms“ feierten Erfolge bei Mundart-Wettbewerben. „Wir hatten immer gute Kinder“, sagt Erika Spannuth. Aus Altersgründen hat sich die Wernigeröderin zurückgezogen, hilft aber weiterhin ihren Schülern bei der Vorbereitung auf Wettbewerbe. Im Rückblick sagt sie: „Ich hatte so viel Freude und Spaß.“

Das gilt gleichermaßen für ihre Schützlinge – zum Beispiel für Hannes Dormann. Der 13-Jährige kam als Erstklässler in die Arbeitsgemeinschaft von Erika Spannuth und fand Gefallen an der Harzer Sprache. „Meine Oma kann Plattdeutsch und hat mir etwas beigebracht“, sagt der Schüler. „Es hat Spaß gemacht, die Wörter zu lernen.“ Ebenso hat er Freude daran aufzutreten – kein Wunder, denn der junge Mann hat bereits mehrfach in Magdeburg Siege eingefahren.

Bei Kaffee und Kuchen sitzt Hannes Dormann einträchtig mit den überwiegend älteren Damen zusammen und trägt einen Text mit dem Titel „Die anhängliche Haut“ vor. „Jetzt bin ich gespannt, was er über seine erste Ehe erzählt“, sagt Erika Spannuth mit einem Lächeln. Die Geschichte über den Kuhhirten und seine Tiere kommt an. „Viele Begebenheiten, die man auf Deutsch hört, sind auf Platt noch viel lustiger“, sagt Carola Stockmann, Leiterin des städtischen Senioren- und Familienhauses. Nach Erika Spannuths Lesung aus ihrem Buch „Plattdütsche Vortelleken ut`n Harze forr junk un olt“ im Frühjahr kam die Idee für den Stammtisch auf. Carola Stockmann war begeistert. „Besonders schön ist, dass Jung und Alt an einem Tisch sitzen.“

Aus ihrer Kindheit und Jugend kennen Christel Brigmann und Monika Pechau die Mundart. Beide sind 75 Jahre alt und haben in Wernigerode gemeinsam ihre Ausbildung zur Krankenschwester absolviert. „Meine Kindheit habe ich in Veckenstedt verbracht“, berichtet Christel Brigmann, die wahre Geschichten auf Plattdeutsch aufschreibt. Die Harzer Mundart verstehe sie zwar, habe sie aber nie selbst gesprochen. Ebenso geht es ihrer Freundin Monika Pechau, die inzwischen in Magdeburg lebt und zum Klassentreffen nach Wernigerode gereist war.

Ute Heinke, Erika Spannuths Tochter, hat das Plattdeutsche ebenfalls auf Großmutters Schoß gelernt. Aus Gardinenfransen an Omas Fenstern habe sie gern kleine Zöpfe geflochten, erinnert sich Ute Heinke – zum Missfallen der alten Dame, die sie zurechtwies: „Mäken, wulle dat mal laten!“

Treffpunkt für Freunde des Harzer Platt ist jeden letzten Donnerstag im Monat um 14.30 Uhr im Senioren- und Familienhaus, Steingrube 8 in Wernigerode. Nächster Termin: 27. Oktober, Thema: Schulzeit.