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Breitbandausbau Turbo-Internet via Telefonkabel

Schon ab Oktober ist in ganz Wernigerode schnelles Internet verfügbar. Dazu werden alte Telefonleitungen mit Vectoring auf Turbo gebracht.

Von Julia Bruns 05.05.2017, 01:01

Wernigerode l Das Ende der lahmen Stadt am Harz ist besiegelt. „Es ist ein guter Tag für Wernigeröder und alle, die im Gebiet der Vorwahl 03943 wohnen“, sagt Peter Gaffert. Davon ist neben dem Oberbürgermeister auch Wirtschaftsförderer Ralf Quednau überzeugt. Beide haben am Mittwoch im Mühlental die frohe Botschaft verkündet, dass Wernigerode künftig für schnelles Internet gerüstet wird. „Das ist wichtig für den Wirtschaftsstandort Wernigerode und für die Lebensqualität in der Stadt“, sagt der parteilose Stadtchef.

100 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) sind für 18.000 Haushalte ab Oktober beim Herunterladen drin, 40 Mbit/s beim Hochladen, verspricht der Anbieter Deutsche Telekom. Das Besondere: Das Internet wird nahezu ohne große Bauarbeiten optimiert. Dank einer Technologie, die das Signal vom Glasfaserkabel auf alte, bereits im Erdreich liegende Kupferkabel überträgt, muss nur punktuell geschachtet werden, um an einzelnen Stellen Glasfaserkabel zu verlegen.

„Drei bis vier Tage werden Baugruben zu sehen sein“, verspricht Roland Voigt von der Telekom. Er wertet es als enormen Vorteil, dass das vorhandene Kupfernetz, das der Telekom gehört, genutzt werden kann. Die Kupferkabel wurden in den 1990ern im gesamten Stadtgebiet für Festnetztelefonie verlegt – zu einer Zeit, als an Breitband, geschweige denn V-DSL noch lange nicht zu denken war. DSL-Technik wurde erstmals 1998 getestet, 2005 war sie reif für den Einsatz.

Die Bundesnetzagentur hatte dem Hauptwettbewerber Telekom erst im April das exklusive Recht zugesprochen, herkömmliche Telefonleitungen mit einer Technik namens Vectoring aufzurüsten. So liefert das gute alte Telefonkabel auch in Wernigerode künftig Internet mit Turbo. Kritiker dieser Technik sagen, dass sie auf lange Sicht nicht den großen Datenmengen gewachsen ist, die beispielsweise für ultrahochaufgelöstes Fernsehen, erweiterte Realität und „smart Homes“, also vernetzte Haushalte mit internetfähigen Verbrauchergeräten benötigt werden. Nur Glasfaser ist technisch für die riesigen Datenmengen der Zukunft ausgelegt.

Zwölf Kilometer der schnellen optischen Faser kommen in den nächsten Wochen und Monaten im Stadtgebiet ins Erdreich, 18 Kilometer inklusive Ortsteilen, erläutert Regiomanager Voigt. Jeder Kilometer Glasfaser kostet laut Unternehmen 70.000 Euro. Wo sich Glasfaser im Boden befindet, ist einer der 90 Multifunktionskästen nicht weit, die im Stadtgebiet aufgestellt werden.

In den grauen Gehäusen, den Kabelverzweigern, sitzt die Technik, mit der das Lichtsignal der Glasfaser in ein elektrisches Signal umgewandelt wird und über die Kupferkabel dann bis zum Kunden übertragen wird. Die Leistung des Kabels wird mittels Vectoring erhöht. Und es soll sogar noch besser kommen, führt Joachim Fricke aus: Mit Super Vectoring seien im Download künftig sogar 200 MBit/s drin.

Derzeit ein datentechnischer Traum, besonders für die Gewerbetreibenden, sagt Peter Gaffert. Jahrelang stand die lahme Leitung in Wernigerode in der Kritik von Selbstständigen, Gästen und in der Industrie. In vielen umliegenden Dörfern ist die Übertragungsrate schon lange um ein Vielfaches höher als in der Kernstadt.

Zum Hintergrund: Anbieter Heuer & Sack hatte von 2010 bis 2014 im Grundausbau die Mindestgeschwindigkeit von 2 MBit/s mit Funktechnik erfüllt. 6.000 Wernigeröder wollten die nächste Stufe des Breitbandausbaus nicht abwarten und hatten sich zwischenzeitlich über Fernsehkabel mit schnellem Internet (bis zu 100 MBit/s) versorgen lassen. In der sogenannten Next-Generation-Access-Phase, die 2015 begann, bewarb sich die Deutsche Telekom als Anbieter für Wernigerode und erhielt den Zuschlag.