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Typisierung Kleines Stäbchen, große Hoffnung

„Stäbchen rein, Spender sein.“ Rund um Stammzellspenden kursieren Fehlinformationen. Der Verein für krebskranke Kinder Harz will aufklären.

Von Sandra Reulecke 08.10.2016, 01:01

Wernigerode l Alle 30 Minuten erkrankt in Deutschland ein Mensch an Leukämie (Blutkrebs). Um gesund zu werden, benötigt er meist eine Stammzellspende. Die Mitglieder des Vereins für krebskranke Kinder Harz informieren darüber, wie eine solche Spende abläuft. Zudem beraten sie Angehörige und Freunde von Blutkrebspatienten, die eine Typisierungsaktion organisieren wollen, wie kürzlich im Fall von Vanessa. Die Krankenschwester aus Wernigerode ist an Leukämie erkrankt.

In dieser Woche hat der Verein eine feste Anlaufstelle in Wernigerode eröffnet. Es ist die erste dauerhafte Typisierungsstation im Harz, in ganz Sachsen-Anhalt erst die zweite. „Wir wollen aufklären und mit Fehlinformationen aufräumen“, sagt Vereinschef Avery Kolle. Davon gebe es so einige. „Manche Leute denken, dass sie sich nur für eine bestimmte Person testen lassen und ihre Daten anschließend vernichtet werden“, erläutert Vereinsmitglied Michael Hantke. Richtig sei jedoch, dass die Daten von Menschen, die sich testen lassen, dauerhaft gespeichert werden und mit denen von jedem, der eine Stammzellenspende benötigt, verglichen werden.

„Die Wahrscheinlichkeit, einen fremden Spender zu finden, liegt zwischen 1:1000 und 1: 100 000. Das ist nicht viel, aber im Lotto zu gewinnen, ist seltener“, sagt Avery Kolle.Genetische Geschwister zu finden, ist für deutsche Patienten sogar sehr wahrscheinlich. In 80 Prozent führe die Spendersuche zum Erfolg, informiert die Uni-Klinik Magdeburg, mit deren Knochenmarkspenderdatei der Verein zusammenarbeitet. Zudem kooperieren Stammzelldatenbanken international. „Spenden innerhalb Deutschlands sind die meisten, aber es gibt auch häufig passende Spender für Patienten in der USA, Frankreich und Italien. Aus diesen Ländern kommen auch die häufigsten ausländischen Spenden für Deutsche“, informiert Kolle. Sein Wissen zu dem Thema hat er sich selbst angeeignet und in Gesprächen mit Fachleuten.

Der Wernigeröder weiß, wie es sich anfühlt, auf einen passenden Spender zu warten. Seine Tochter war auf die Übertragung von Stammzellen angewiesen. Aus dieser Erfahrung heraus ärgert ihn ein Phänomen: Potenzielle Spender, die abspringen, sobald es ernst wird. „Schuld ist oft eine gewisse Gruppendynamik“, erläutert Michael Hantke. „Vereine beteiligen sich nach dem Motto ‚alle machen mit‘ an Typisierungsaktionen. Kommt ein Mitglied dann aber tatsächlich in Frage und erhält Bescheid, bekommt es Angst.“

Eine Ursache könnte der verbreitete Irrglaube sein, dass Stammzellspenden schmerzhaft seien, mutmaßen die Mitglieder des Vereins für krebskranke Kinder Harz. „Dabei werden nur noch sechs bis sieben Prozent der Spenden unter Narkose aus dem Beckenkamm entnommen“, so Kolle. Zudem sei Knochenmark nicht mit Rückenmark zu verwechseln. Bei gesunden Menschen bildet sich das Knochenmark nach einer Entnahme innerhalb weniger Wochen nach.

Viel häufiger als diese Variante sei die Blutstammzellspende. Diese findet ohne Operation und ohne Narkose statt. Das Verfahren ist mit einer Blutspende vergleichbar, die einige Stunden dauert. Geld bekommt ein Spender nicht – aber seine Ausgaben, einschließlich Lohnausfall, werden erstattet.

„Uns ist es wichtig, dass die Leute wissen, worauf sie sich einlassen. Gern sollen sie noch eine Nacht darüber schlafen“, sagt Hantke. „Wenn sich jemand bewusst dagegen entscheidet, ist das in Ordnung.“ Damit sei mehr geholfen, als wenn sich jemand registrieren lasse und dann doch kalte Füße bekomme. Denn jede Typisierung kostet Geld und wird mit Spenden finanziert.

In Deutschland gibt es mehrere Datenbanken. Ist man bei einer registriert, muss man sich kein weiteres Mal bei einer anderen anmelden – auf der Suche nach einem Spender werden alle angefragt. Auch spielt es keine Rolle, ob man bei der Registrierung eine Blutprobe abgegeben oder einen Abstrich mit Wattestäbchen von der Wange genommen hat.

Als Spender kommen gesunde Erwachsene zwischen 18. und 61. Lebensjahr infrage, Typisierungen sind bis zum 55. Lebensjahr möglich.