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Wechsel Stadt-Dezernent soll ans HVB-Steuer

Christian Fischer, Ordnungsdezernent in Wernigerode, soll ab November neuer Chef der Harzer Verkehrsbetriebe werden.

Von Dennis Lotzmann 08.10.2019, 04:00

Wernigerode l Erneutes Stühlerücken bei den Harzer Verkehrsbetrieben und in diesem Zusammenhang auch im Wernigeröder Rathaus: Christian Fischer, gegenwärtig Ordnungsdezernent in der Stadtverwaltung, soll ab November als HVB-Geschäftsführer das maßgebliche Steuer des Nahverkehrsunternehmens in die Hand nehmen.

Der 44-Jährige soll nach den Plänen von Landrat Martin Skiebe (CDU) Nora Wolters folgen, die seit März HVB-Chefin ist und sich beruflich anderweitig orientiert. Dem von der HVB-Gesellschafterversammlung initiierten Vorstoß, Fischer zunächst bis zum 30. Juni 2020 als Geschäftsführer zu bestellen, muss Mitte Oktober noch der HVB-Aufsichtsrat zustimmen. Damit rechnet HVB-Aufsichtsratschef Skiebe jedoch fest.

Geht die Personalentscheidung in diesem Gremium durch, bekämen die HVB den dritten Chef in diesem Jahr. Im Februar hatte Geschäftsführer Björn Smith – „etwas überstürzt und binnen Tagen“, wie Skiebe sagt – das Handtuch geworfen. Dem Vernehmen nach wollte der gebürtige Amerikaner zurück in seine Heimat, um dort die väterliche Firma zu übernehmen. Ihm folgte damals HVB-Prokuristin Wolters, die seit Sommer 2017 im Unternehmen ist. Die Hoffnung, dass die Betriebswirtin die Verkehrsbetriebe, die sich nach einem gescheiterten Fahrplanwechsel in einem schwierigen Fahrwasser befinden, mittelfristig wieder auf Kurs bringt, erfüllen sich nicht. Nora Wolters verlässt die HVB Ende Oktober.

Nun Christian Fischer bei den Verkehrsbetrieben ans Steuer zu setzen, könnte für Skiebe ein Befreiungsschlag sein. Aktuell hat der Landrat mehrere offene Baustellen – eine davon sind die Verkehrsbetriebe, die nach Jahren chronischer Unterfinanzierung in finanzielle Schieflage geraten sind. Nun den Juristen Fischer an die Spitze zu setzen, könnte eine mittelfristig Erfolg versprechende Lösung sein. Zumindest ist Skiebe überzeugt, einer guten Entscheidung den Weg geebnet zu haben. „Ich traue Herrn Fischer diese Aufgabe auf jeden Fall zu“, so Skiebe am Montag.

Dass sich der Dampfer HVB mit seinen rund 280 Mitarbeitern in einem stürmischen Fahrwasser befindet, hat maßgeblich mit dem gescheiterten Fahrplanwechsel im vergangenen Jahr zu tun. Damals war der Plan grundsätzlich neu gestaltet worden. Ein Schritt, der insbesondere im Schülerverkehr ein heilloses Chaos nach sich gezogen hatte. Daraufhin stoppte der Kreistag das Unterfangen. Seit dem Spätsommer 2018 rollt der Verkehr wieder weitgehend nach dem früheren Strickmuster – und ohne Kritik seitens der Nutzer.

Gleichwohl bleiben die Nachwehen. So sind die Kosten in 2018, als die HVB erstmals nach einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag (Öda) die Beförderungsleistungen im Harzkreis erbracht haben, in die Höhe geschossen. Um rund eine Million Euro, die der Landkreis zusätzlich zahlen muss. Eine Vorlage mit einer entsprechenden überplanmäßigen Ausgabe hatte Skiebe im Sommer ins Verfahren gebracht, dann aber vor der entscheidenen Kreistagssitzung zurückgezogen.

Warum? „Weil im Detail noch Korrekturbedarf bestand“, so Skiebe jetzt. Er kündigt eine „neue Vorlage mit gleicher Botschaft“ für die Kreistagssitzung am 30. Oktober an. Soll heißen: Am finanziellen Mehraufwand in Höhe von einer Million Euro werde sich nichts ändern. „Mir ist aber wichtig, die finanziellen und rechtlichen Auswirkungen besser darzustellen“, so der Christdemokrat.

Fakten, die sich mit der neuen Vorlage decken. Sie ist tatsächlich ausführlicher formuliert – insbesondere mit Blick auf die Zusammenhänge. Das Papier wird am 15. Oktober erstmals im Kreistagsausschuss für Wirtschaft, Umwelt und Kreisentwicklung behandelt.

Letztlich liegt damit ein heißes Eisen auf dem Tisch. Die Harzer Verkehrsbetriebe sind in den vergangenen Jahren mehr und mehr in finanzielle Schieflage geraten. Das räumt nun auch Skiebe unumwunden ein. „Wir haben den HVB in der Vergangenheit zu wenig Geld gegeben.“

Ein Grund war nach Informationen der Volksstimme der vom Unternehmen selbst viel zu niedrig angesetzte Kilometer-Preis. Pikant dabei: „Dieser Preis ist vom Unternehmen selbst nicht infrage gestellt worden“, so Skiebe. Ein denkbarer Grund für diese wirtschaftliche Fehlentscheidung: Das Bestreben auf Kreisebene, die Transportleistungen ohne Ausschreibung beim HVB zu belassen. Um in diesem Zusammenhang Debatten zu vermeiden, sollen die Verantwortlichen beim HVB angebotsseitig zu jenen Dumping-Preisen „motiviert“ worden sein.

Zusammenhänge, die sich heute schwerlich hinterfragen lassen, weil maßgeblich Verantwortliche auf Kreisebene ebenfalls dabei sind, den Dampfer zu verlassen. So wechselt Dirk Michelmann, bislang Skiebes Fachbereichsleiter Strategie und Planung, als Dezernent in die Kreisverwaltung Haldensleben. Auch Michael Wendt, Teamleiter öffentlicher Nahverkehr, geht. Wendts Vorgesetzer Bernd Skudelny hatte – zur Verantwortlichkeit für das Fahrplanchaos im Jahr 2018 befragt – vielsagend erklärt, dass irgendwie wohl jeder davon tangierte Mitarbeiter eine gewisse Mitschuld habe.

Wie auch immer. Skiebe scheint nun alles daran zu setzen, den Nahverkehrsplan und den darauf fußenden Fahrplan auf ein solides Fundament zu stellen. Dabei soll externer Sachverstand helfen – „aber im Zusammenspiel mit den HVB-Praktikern“. Wichtig dabei aus Skiebes Sicht: Die Qualität des Ausbildungs- und Schülerverkehrs soll auf dem jetzigen Niveau erhalten bleiben, ohne aber den Verlust finanzieller Zuschüsse vom Land zu riskieren. „Wir werden mit dem Land einen vernünftigen Weg finden“, so Skiebe mit Optimismus.

Zurück zur Personalie Fischer: Über den fachlichen Hintergrund dürfte der 44-jährige Beamte, der bereits Büroleiter von Ex-Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) und Pressesprecher von Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) war sowie in Finanzämtern gearbeitet hat, verfügen.

Da Fischers Abordnung zu den HVB zunächst zeitlich befristet sein soll, werde verwaltungsintern umstrukturiert und der Posten des Ordnungsdezernenten vorerst nicht neu besetzt, so Stadtsprecher Tobias Kascha. Kommentar