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Auf Spurensuche Unbekanntes Schlachtfeld Dahlenwarsleben

In den Befreiungskriegen wurden vielerorts Schlachten geschlagen. Erst seit wenigen Jahren ist ein Scharmützel in Dahlenwarsleben bekannt.

Von Sebastian Pötzsch 06.12.2019, 12:22

Dahlenwarsleben l Am Morgen des 14. Oktober im Jahre 1813, „als die Offiziere beim Frühstücken, die Pferde zum Abmarsch schon gesattelt waren, kam ein als Bettler verkleideter Spion (französischer), der in Burg gewesen war… Kaum war er abgetreten, so fielen bei der Mühle an der südlichen Ecke des Dorfes (Kleinau) ein paar Pistolenschüsse.“ Mit diesen Worten beginnt ein Bericht über eine Schlacht bei Dahlenwarsleben, die vor wenigen Jahren noch völlig unbekannt war.

Bei diesem Bericht handelt es sich um eine mit Schreibmaschine auf Seidenpapier gebrachte Geschichte, die der Dahlenwarsleber Ortschronist Jürgen Dürrmann von einem seiner Vorgänger übernommen hatte. „Wer die Worte abgeschrieben hat, kann ich nicht sagen. Der Bericht selbst jedoch stammt vom Sohn eines gewissen Pastors Rolle, der die Begebenheiten jener Zeit aus den Kirchenakten seines Vaters entnommen hat“, erzählt Dürrmann. So berichtet Pastor Rolle als Augenzeuge beziehungsweise sein Sohn aus den Kirchenakten über die weiteren Begebenheiten eben jenes für die Dahlenwarsleber so bedeutungsvollen Tages.

Denn während der napoleonischen Besatzungszeit zu Beginn des 19. Jahrhunderts ächzte die Bevölkerung des Dorfes und den umliegenden Ortschaften unter der französischen Besatzung. „An einem Abend, etwa am 20. Oktober (vor 1813, Anmerkung der Redaktion), kamen vier Regimenter französischer Dragoner hier in Quartier… Die Dragoner blieben zwei Nächte und zwei Tage hier. Da sie in den Häusern nicht unterkommen konnten, bauten sie sich in seitlichen Gärten und auf dem Kirchhofe Hütten aus Holz und bivakierten darselbst mit ihren Pferden. Für die Pferde wurde Stroh, Heu und Hafer … ganz nach Willkür in unsinnigem Überfluss aus Scheunen und Böden geholt und verschmissen und vergeutet… Alle Gärten lagen voll davon, in den Bäumen hingen Rinder, Schafe und Geflügel umher“, heißt es in der Abschrift des Sohnes von Pastor Rolle über eine Begebenheit während der Besatzung.

Erst die Ulanen-Reiterei des 3. Kurmärkischen Kavallerieregiments sollte am 14. Oktober 1813 dem ein Ende setzen. Nach den frühmorgendlichen Pistolenschüssen wurde mit Trommeln und Trompeten Alarm geschlagen. Laut dem Bericht wurde die französische Infanterie hinter der Kirchenmauer in der Ortsmitte sowie an der Nordseite des Dorfes postiert. Die napoleonische Kavallerie habe sich bei einer Mühle in den Hügeln nördlich von Dahlenwarsleben postiert, um hier den Feind zu erwarten. Laut Ortschronist Jürgen Dürrmann war wohl die „Pasemanns Mühle“ gemeint.

Der Feind bestand laut den Aufzeichnungen aus 180 preußischen Ulanen, also mit Lanzen bewaffnete Soldaten des 3. Kurmärkischen Kavallerieregimentes unter dem Befehl Friedrich August von der Marwitz‘. „Das müssen richtige Hasardeure gewesen sein. Die verwegene Truppe hatte bereits Braunschweig überfallen, dort 600 Gefangenen gemacht sowie 20 000 Taler und etliche Pferde beschlagnahmt“, erzählt der Ortschronist weiter.

In Dahlenwarsleben sollen die Ulanen gegen eine Übermacht von mindestens 360 französischen Kavalleristen in den Kampf gezogen sein. „Sie kamen von Hohenwarsleben den Kleiberg herunter und gingen durch das Tal nach dem Sandberge hinauf, rückten von da gegen die Kavallerie bei der Mühle vor, und beide Parteien machten mit vieler Tapferkeit einen Angriff aufeinander“, wird weiter aus den Kirchenakten zitiert. Die Franzosen seien „geworfen“ und aus dem Dorf verfolgt worden, wo allerdings die Preußen wegen der hinter den Mauern postierten Infanterie umkehren und die Verfolgung abblasen mussten. Nur ein Ulan „blieb tot auf der Stelle“, der mit zwei Franzosen begraben wurde.

Nach diesem und dem weiteren verlorenem Gefecht der als später bekannten Völkerschlacht wurde die Lage für französische Truppen im Magdeburger Raum gefährlich, so dass die Einheiten in die Festung Magdeburg zurückgezogen wurden. Dennoch, so wird weiter berichtet, wagten Truppen immer wieder Ausfälle, so beispielsweise am 30. November 1813 nach Barleben. Die Franzosen sollen den Ort geplündert und viele Barleber verwundet oder getötet haben.

Doch die Aufzeichnungen des Nachfahren des Pastors Rolle reichten Jürgen Dürrmann nicht aus. Der Ortschronist wollte nach weiteren Quellen suchen, die das Gefecht vom 14. Oktober 1813 bestätigen. „Und ich wurde fündig“, sagt der Dahlenwarsleber nicht ohne Stolz. So habe er im Internet nach der Einheit von Friedrich August von der Marwitz recherchiert und Memoiren des einstigen Oberstleutnants gefunden. Hier heißt es: „… Ich hatte aber hatte zwei sehr glückliche Gefechte bei Atzendorf und bei Dahlenwarsleben, den 10. und den 14. Oktober.“

Doch auch dies reichte Jürgen Dürrmann nicht aus – bis er gemeinsam mit Bekannten das vermeintliche Schlachtfeld näher unter die Lupe nahm. Und tatsächlich wurden die Geschichtsinteressierten auch hier fündig. So förderten sie vor allem Musketenkugeln zutage. Interessant ist aber auch eine Münze mit den Initialen HN. „Diese stehen für Hieronimus Napoleon, dem königlichen Namen für Jerome, dem Bruder Napoleons und König von Westphalen“, erzählt der Ortschronist.

Ganz besonders verzückt ist Jürgen Dürrmann jedoch von einem Knopf. Auf der Vorderseite zeigt er eine Krone. „Das muss ein Zierknopf sein, der zur Uniform der preußischen Kavallerieoffiziere gehörte“, erzählt der Heimatforscher und beschreibt: „Die vergoldeten Kupferknöpfe dekorierten den roten Streifen der Hose. Das Gold ist nicht mehr vorhanden. Aber die Reste des roten Gewebes sind noch sehr gut zu erkennen.“

Die Fundstücke vom Schlachtfeld hat der Ortschronist gut verwahrt, wie er sagt. Dafür ist im Oktober 2013, also genau 200 Jahre nach der Schlacht, eine Informationstafel vor der örtlichen Kirche eingeweiht worden. Somit können Dahlenwarsleber und Gäste an diesem Stück bisher weitestgehend unbekannter Geschichte künftig teilhaben.