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Corona Auch im Lockdown gibt es Nischen

Wie Einzelhändler und Gastronomen in Wolmirstedt (Landkreis Börde) den Kontakt zu den Kunden pflegen:

Von Gudrun Billowie 29.01.2021, 08:27

Wolmirstedt l Anita Lehmann verkauft gerne Blumen. Ihr Geschäft liegt zentral, ist für Laufkundschaft ideal zu erreichen. Doch seit dem 16. Dezember ist der Laden zu, seit sechs Wochen können Blumenfreunde nicht hineinkommen, einen Strauß auswählen, zahlen und gehen. Die Blumengeschäfte traf dieser Lockdown mitten im Adventsgeschäft. Gestecke, Tannengrün und Keramiknikoläuse blieben für Kunden unerreichbar hinter der Schaufensterscheibe stehen.

„Der zweite Lockdown hat mich hart getroffen“, gesteht die Blumenhändlerin. Den ersten hatte sie optimistisch vorbeiziehen sehen, doch diesmal war der positive Blick aufs Leben erst einmal abhanden gekommen. „Aber es muss ja weitergehen“, sagt die Geschäftsfrau. Aufraffen ist ihre Devise. Längst hängt ein großes Plakat im Schaufenster, auf dem sie Kunden ermuntert, per Telefon zu bestellen.

Seither erlebt sie: „Das Angebot wird gerne angenommen.“ Die Kunden bestellen bunte Frühlingssträuße und holen sie dann zum verabredeten Zeitpunkt vor dem Geschäft ab. „Das funktioniert sehr gut“, sagt die Geschäftsfrau und hat beobachtet: „Die Kunden sind für dieses Angebot sehr dankbar.“

Dankbare Kunden erlebt auch Detlef Rademacher, Chef des Wolmirstedter Hagebau-Marktes. Dort stehen am frühen Abend mehrere Herren im Umkreis der Eingangstür im großen Abstand zueinander. Sie haben Spanplatten, Feuerholz Gasflaschen oder Silikon bestellt und warten, dass die Baumarktmitarbeiter die Ware vor die Tür bringen. Zum Bezahlen hat sich der Baumarkt ein Gerät angeschafft. „Bargeld nehmen wir hier nicht.“

Susanne Kützing, die das Café auf dem Zentralen Platz betreibt, steht wieder regelmäßig in der Backstube. Sie bietet Torten, Eis und Kaffee zum Mitnehmen an. „Die Kunden kommen“, sagt sie, „aber es fehlt das Miteinander.“

Ein Café ist mehr, als ein mit Kuchen gefüllter Kühlschrank, ein Café ist ein Begegnungsort. Doch diese Funktion kann das Café in der Corona-Pandemie nicht bieten. Susanne Kützing hört oft, wie sehr Menschen es vermissen, sich mit der Familie oder Freunden an einem Tisch niederzulassen, zu erzählen. Jetzt reden viele über Einsamkeit.

„Auch mir fehlen die Menschen, die Gespräche an den Tischen“, sagt die Café-Betreiberin, trotzdem ist sie dankbar. „Ein Teil der Hilfen ist inzwischen angekommen“, sagt sie, „auch wenn es schleppend läuft, aber das Geld kommt.“ Wie es ohne staatliche Unterstützung weitergehen könnte, mag sie sich nicht vorstellen.

Anita Lehmann wartet hingegen immer noch. Von der sogenannten Novemberhilfe ist noch nichts eingetroffen. Doch auch sie sieht einen Lichtblick: „Es muss ja inzwischen alles über Steuerberater beantragt werden.“ Und die fuchsen sich da gerade rein.

Trotz der tapferen Versuche vieler Wolmirstedter Geschäftsleute, finanziell lohnt sich der Aufwand kaum. Detlef Rademacher schätzt, dass sonst zehnmal mehr Kunden pro Tag in den Baumarkt kommen. „Was zurzeit an Geld reinkommt, deckt keine Kosten.“ Die Mitarbeiter sind in Kurzarbeit und haben Glück: Das Unternehmen stockt das Kurzarbeitergeld auf einhundert Prozent des Lohnes auf.

Auch Anita Lehmann hat ihre Mitarbeiterin in Kurzarbeit geschickt. Die bestellten Sträuße bindet sie allein. Ein wirklicher Verdienst springt dabei nicht heraus. „Was ich zurzeit verkaufe, ist ein Bruchteil des normalen Geschäftes.“ Dennoch: Die Kunden stärken ihr den Rücken.

Doch die Geschäfte bedeuten für die Inhaber weit mehr, als die Möglichkeit Geld zu verdienen. Sie liegen ihnen sehr am Herzen, prägen den Alltag. Anita Lehmann schätzt die Struktur, die mit dem Service, Blumen an der Tür abzugeben nun wieder einhergeht, dass Kleidung, die zu Hause als gemütlich gilt, im Alltag nicht die Oberhand gewinnt.

Susanne Kützing blickt auf die kleine Terrasse, die sich rund um ihr Café erstreckt. In warmen Monaten stehen dort Tische und Stühle, an kalten Tagen liegen frühlingsgrüne Decken bereit. „Hoffentlich können dort bald wieder Gäste sitzen“, sagt sie sehnsuchtsvoll. Und schiebt nach, worauf es noch viel mehr ankommt: „Hauptsache , wir bleiben weiterhin gesund.“