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Abenteurer Herr Stockmann mag Holz und Meer

Der Zimmerermeister Michael Stockmann richtet in Wolmirstedt ein Gründerzeitanwesen her, ist aber auch auf den Weltmeeren unterwegs.

Von Gudrun Billowie 20.01.2018, 00:01

Wolmirstedt l In Michael Stockmanns Leben riecht es nach Holz, nach Meer und zu all dem erklingt Musik. Diesen drei Leidenschaften folgt er und wenn es besonders gut läuft, lassen sich Holz, Meer und Musik miteinander verweben. Besonders Holz und Meer bringt der drahtige junge Mann regelmäßig zusammen, denn er kann Holzboote bauen und reparieren. Immer wieder ist er deshalb mit dem Polarforscher und Buchautor Arved Fuchs unterwegs. Auf der „Dagmar Aaen“ sind sie gerade zurückgesegelt aus Feuerland.

„Der Holzbootbau ist die Krone des Holzbaus und hat mich schon immer interessiert“, erzählt Michael Stockmann. Mit rechtem Winkel und Wasserwaage lasse sich dort nicht viel anfangen, auch wenn Michael Stockmann damit selbstverständlich umgehen kann. Der 29-Jährige hat sein Handwerk gelernt, von der Pike auf, er ist Meister des Zimmererhandwerks. Aber er mag auch das Meer.

Vor gut vier Jahren begann er, sich intensiv für die Expeditionen von Arved Fuchs zu interessieren. Der hat als erster mit seinem Segelschiff ohne Eisbrecherhilfe den Nordpol umrundet. „Ich habe mich bei Arved Fuchs beworben, wollte dabei sein, wenn das 1931 gebaute Schiff für die nächste Expedition gerüstet wird.“

Aus vier Wochen geplanter Werftzeit wurden fünf Arbeitswochen auf einer dänischen Werft, der Rest ergab sich von selbst. „Ich durfte die fünfwöchige Rückfahrt einer Grönlandexpedition begleiten“, erzählt Michael Stockmann.

Seither gehört er zur Crew und wann immer er es einrichten kann, ist er auf der „Dagmar Aaen“ mit dabei. Fünf Wochen dauerte die Tour von Island über den Nordatlantik nach Flensburg, er hat Cap Horn umsegelt, kennt Feuerland.

Auf diesen Reisen erlebt er, worauf Arved Fuchs mit seinen Expeditionen aufmerksam machen will: Die Folgen der Klimaerwärmung sind an den Polen besonders sichtbar. Das Eis hat sich weit zurückgezogen.

Die Eindrücke der Touren werden mit der Kamera festgehalten, ein ZDF-Team und Wissenschaftler sind mit an Bord. Michael Stockmann betreut die Ausrüstung, sorgt dafür, dass Stative und Kameras rechtzeitig und ordnungsgemäß an den Drehort gelangen.

Segeln bestimmt ebenfalls den Tagesablauf der Expeditionsteilnehmer, in einem Rund-um-die-Uhr-Schichtsystem segelt jeder vier Stunden am Stück. Das Segeln hat Michael Stockmann schon in der Jugend gelernt. Der Sinn für Abenteuer habe sich früh sehr stark ausgeprägt. „Ich wollte schon immer Neues entdecken.“

Warum auf dem Wasser, dem Ozean, in den eisigsten Regionen der Welt? „Auf dem Atlantik unterwegs und den Naturgewalten ausgesetzt sein, das fasziniert.“ Wer solche Touren durchhalten will, braucht neben seemännischem Verständnis und guter Wetterbekleidung vor allem einen stabilen Magen. „Man muss sich erst einmal daran gewöhnen, dass die Lampen auf dem Schiff schief hängen und Gegenstände hin und her rutschen.“

Für die Rauheit der See entschädige die Gemeinschaft. Auf dem 18 Meter langen Boot leben bis zu zehn Menschen zusammen, zur Crew gehören Männer und Frauen zwischen 20 und 70 Jahren. „Wir sind wie eine Familie“, erzählt Michael Stockmann, „treffen uns auch außerhalb der Expeditionen.“

Wie lässt sich dieses Leben mit einer Festanstellung verbinden? „Gar nicht“, sagt Michael Stockmann. Unter anderem deshalb arbeitete er selbstständig, ist vorwiegend in der Region unterwegs, hat sich vor allem der denkmalgerechten Sanierung alter Häuser verschrieben.

„Fachwerk ist faszinierend, weil nichts gerade ist, man muss sich in die Konstruktion reindenken.“ Es ist ein bisschen wie im Bootsbau und aus Handwerkersicht doch völlig anders. Im Fachwerkhaus lassen sich beispielsweise niedrige Decken erhöhen, Balken mit Altholz ergänzen, sodass sich zeitgemäß wohnen lässt und das alte Erscheinungsbild trotzdem erhalten bleibt.

Das alte Erscheinungsbild zu erhalten, gilt auch für sein künftiges Zuhause. Er hat das Anwesen seiner Großeltern übernommen, einen 1875 erbauten Dreiseitenhof am Ufer der Ohre in Wolmirstedt. In den Klinkergebäuden gab es einst eine Gerberei, später hat Großvater Joachim Schmidt dort Bürsten gebunden, war außerdem Obermeister der Handwerkskammer für das Blindenhandwerk, hatte sein Augenlicht verloren im Krieg.

In diesem Anwesen kommen Wasser und Holz wieder zusammen, allerdings hätte Michael Stockmann in diesem Fall gerne auf die Verbindung verzichtet. „Als ich den Hof 2013 übernommen habe, hatte sich gerade das Juni-Hochwasser zurückgezogen.“ Er nahm sich des hochwassergeplagten Hauses an, legte es trocken, tauschte die Holzbalken aus, die vom Wasser bis zur Unbrauchbarkeit getränkt worden waren.

Im Sommer möchte er einziehen. Auf die Frage, welchen Sommer er meint, grinst er vielsagend, sagt, gut Ding will Weile haben. Noch ist verdammt viel zu tun, ein paar Wände sind schon mit Lehm verputzt, marode Balken erneuert, Fenster ersetzt und auch der Boden des Hauses ist vor dem nächsten Hochwasser geschützt.

Trotzdem: Es ist ein Lebensprojekt und ein Versprechen: Michael Stockmann setzt darauf, eines Tages am selben Ort leben und als Zimmerermeister arbeiten zu können. Die Werkstatt gibt es bereits, aber noch fährt er jeden Abend nach Hause, nach Schönebeck.

Das Meer wird wohl zwischendurch immer wieder locken und manchmal auch die dritte Leidenschaft, die Musik. Michael Stockmann gehört zur großen Familie derer, die mit dem Festival „Rocken am Brocken“ das kleine Örtchen Elend im Harz beben lassen. Er ist einer der Bandbetreuer und weiß als Zimmerer natürlich auch, wie Bühnen gebaut werden, vereint hier Holz und Musik.

Die Liaison begann in Norwegen. Michael Stockmann hatte dort gelernt, Blockhäuser zu bauen, als ihm auf der Rücktour die Band „The Vineyards“ in Oslo begegnete. Die Musiker faszinierten ihn so, dass er felsenfest glaube, sie müssen auch in Deutschland bekannt gemacht werden.

Das Rocken am Brocken schien ihm der passende Rahmen, und tatsächlich, 2008 traten die Norweger auf. Wirklich bekannt sind sie nicht geworden, aber Michael Stockmann gehört ohnehin zum Organisationsteam, auch wenn das Festival jenseits der Ozeane in den Bergen gefeiert wird, demnächst wieder im August.

Bald ruft wieder das Meer, bestenfalls startet er mit Arved Fuchs zu einer neuen Expeditionstour. „Ich möchte die abgeschiedenen Ecken der Welt entdecken.“ Und wenn Michael Stockmann von abgeschiedenen Ecken spricht, dann sind diese Ecken wirklich weit weg.