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Flüchtlingshilfe Initiativen für Integration

Die Hilfe für Flüchtlinge, die in Wolmirstedt leben, wird fortgesetzt. Neben Sachspenden gibt es Initiativen für die Integration.

Von Gudrun Billowie 12.10.2015, 01:01

Wolmirstedt l In der Wolmirstedter Gemeinschaftsunterkunft leben rund 90 junge Männer. Sie kommen aus Ländern wie Albanien, Guinea Bissau oder Mali. Die meisten besitzen seit ihrer Flucht nicht viel mehr, als sie auf dem Leib tragen. Doch die kurzen Hosen und Flip-Flops, mit denen sie sich auf die Reise gemacht haben, genügen den Temperaturen nicht mehr. In der Gemeinschaftsunterkunft bekommen sie ein zu Hause auf Zeit. Dort ist es warm, jeweils zwei Männer teilen sich ein Zimmer, es gibt eine Kleiderkammer und die Abläufe sind durch Heimleiter, Sozialarbeiter und Sicherheitsdienst geregelt. Auch die Trägergesellschaft, die PeWoBe, die diese Unterkunft im Auftrag des Landkreises betreibt, zeigt sich zufrieden. „Wir erleben auch das Umfeld in Wolmirstedt gut und die Bürger sehr engagiert“, bescheinigt jüngst PeWoBe-Mitarbeiterin Kerstin Altkrüger. In der Tat wollen viele Wolmirstedter den asylsuchenden Menschen helfen. Und zunehmend wird diese ehrenamtliche Unterstützung strukturiert.

Lehrer im Ruhestand und im aktiven Berufsleben geben ehrenamtlich Deutschunterricht. „Wir haben jetzt drei feste Termine pro Woche“, teilt Ibrahim Sayed, Leiter der Gemeinschaftsunterkunft mit. Diese geregelten Zeiten seien besser zu handhaben als der Deutschunterricht auf Zuruf der Anfangszeit. Um diesen Unterricht zu unterstützen, wird der Bibliotheksförderverein „Lesezauber“ Bücher kaufen, die beim Deutsch lernen helfen. Dafür eignen sich wegen der einfachen Sprache besonders gut Kinderbücher. 130 Euro sind dafür beim Bürgerfest „bunt statt braun“ durch einen Flohmarktverkauf zugunsten der Flüchtlingshilfe zusammengekommen.

Hilfe beim Deutsch lernen soll auch das „Quasselcafè“ bieten. Das findet zum ersten Mal am Donnerstag, 15. Oktober, in der Elbeuer Wassermühle statt. Jeweils paarweise sollen sich die Teilnehmer gegenübersitzen und miteinander deutsch über ein Thema sprechen. Für den Anfang sei es hilfreich, Wörterbücher, Stift und Papier bei sich zu haben, heißt es von den Organisatoren. Initiator sind die Mitglieder des Integrationsstammtischs, die bereits ein gemeinsames Kochen in der Katharinenkirche veranstaltet haben. Der nächste Integrationsstammtisch findet am Mittwoch, 28. Oktober, um 18.30 Uhr in der evangelischen Fachschule statt.

Beim Deutschlernen hilft auch das Singen. Vier Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft besuchen regelmäßig die Proben des Glindenberger Chors. Das größte Ziel ist jedoch, eine Arbeit zu finden, um irgendwann unabhängig zu sein, falls dem Asylantrag zugestimmt wird. Einige Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft haben Praktikumsplätze gefunden, der Kosovare Gazmend Syla sogar einen Ausbildungsplatz. Dennoch soll er nach Hause zurück, denn der Kosovo gilt als sicheres Herkunftsland. Er will das nicht hinnehmen und machte sich Luft, als SPD-Bundespolitiker die Gemeinschaftsunterkunft besuchten. Die hatten einen ganz klaren Rat. „Fahren Sie nach Hause“, riet ihm die SPD-Bundestagsabgeordnete Waltraud Wolff, „und stellen Sie einen Antrag auf Arbeitsmigration.“ Sie versprach Gazmend Syla gute Chancen, dass sein Antrag bewilligt werde und er seine Ausbildung fortsetzen kann.

Waltraud Wolff war mit der Landesgruppe Sachsen-Anhalt der SPD-Bundestagsfraktion in die Gemeinschaftsunterkunft gekommen, um sich über die Situation zu informieren. Ibrahim Sayed und Sozialarbeiterin Christin Möller wiesen besonders auf die mangelnde Möglichkeit ärztlicher Versorgung der asylsuchenden Menschen hin. Bei Bedarf kümmere sich ein Kinderarzt, die Hausarztpraxen nehmen keine Patienten mehr an.

Dieses Problem ist auch den Wolmirstedtern seit Jahren bestens bekannt und eine Lösung noch nicht in Sicht. SPD-Bundestagsabgeordneter Karamba Diaby sieht eine, und zwar in der Anerkennung der Abschlüsse syrischer Ärzte, die in Deutschland leben. „Von ihnen sind viele in der Warteschleife und sie wollen arbeiten, egal wo“, sagte er, „auch im ländlichen Raum.“ Burkhard Lischka, ebenfalls SPD-Bundestagsabgeordneter, richtete in diesem Zusammenhang sein Statement an das Land Sachsen-Anhalt. „Das Land muss schneller werden“, sagte er, „und darf nicht zuschauen, wie diese Ärzte in die Eifel abwandern.“

Größtes Hürde bei der Integration ist für viele der asylsuchenden Menschen die Sprache. Zwar versuchen viele Deutsch zu lernen, andersherum würden es erst einmal helfen, wenn Behördenflyer in verschiedenen Sprachen vorlägen, damit sie sich in ihrer Heimatsprache orientieren können, wurde den Politikern angetragen.

In verschiedenen Sprachen sind bereits die Pakete der Wolmirstedter Tafel ausgewiesen. Die wird vom Deutschen Roten Kreuz betrieben und steht allen Menschen offen, die Hilfe benötigen und wird inzwischen auch von Asylsuchenden genutzt. „Wir helfen allen, wir agieren neutral“, betont Verantwortliche Mandy Oelke. Dabei spiele weder die Religion noch die Nationalität eine Rolle. Da inzwischen aber Menschen hinzugekommen sind, die andere Sprachen sprechen, als bisher in Wolmirstedt üblich, sind die Pakete nun neben russisch und englisch auch französisch oder arabisch gekennzeichnet. „Gerade im Hinblick auf die Weihnachtszeit würden wir uns von Bürgern Trockenware wie Reis oder Nudeln wünschen“, sagt sie. Auch Obst ist gerne gesehen.

Im Auftrag des Landkreises kümmert sich das Deutsche Rote Kreuz auch um die Flüchtlinge, die in Wohnungen untergebracht sind. Die seien ausgestattet, aber es fehle an dem, was gemeinhin als Kleinigkeiten bezeichnet wird. „Uns helfen Zahnbürsten, Zahnpasta, Duschbad oder eine Haarbürste“, sagt Mandy Oelke.