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Gastwirte Wella und Lutz werden jetzt Gäste

In Glindenberg geht eine Ära zu Ende. Wella und Lutz Jorzig gehen in Ruhestand. Sie haben seit der Wende ihre "kleine Kneipe" betrieben.

Von Gudrun Billowie 10.01.2017, 00:01

Wolmirstedt l Die kleine Gastwirtschaft in der breitesten Straße Glindenbergs hätte auch „Elbeperle“ heißen können. Oder „Zum Biberschwanz“. Doch sie hieß von Anfang an „Wella und Lutz“, weil die Betreiber schon lange unter ihren Vornamen als Glindenberger Gastwirte bekannt waren. Folgerichtig erschienen diese Namen als offizielle Bezeichnung auf dem Gaststättenschild, das seit der Wende ihr eigenes ist.

Diese Ära ist nun zu Ende, Wella und Lutz Jorzig sind in den Ruhestand gegangen. Das Haus ist verkauft, ihnen war wichtig, dass darin eine Gatsstätte bleibt. „Es gab Interessenten, die Wohnungen einrichten wollten.“ Die hatten keine Chance. Nun schauen sie voller Neugier den Umbauarbeiten zu, freuen sich, dass der Koch seine künftige Küche mit Feuereifer zum Teil selbst herrichtet. Zufrieden werden sie bald aus der Wohnung über der Gaststätte ausziehen und das Leben genießen. Angeln, Fahrrad fahren, verreisen. Der Hauptwohnsitz wird in Glindenberg bleiben.

In diesem kleinen Elbdorf haben sie 38 Jahre lang als Gastwirte Bier ausgeschenkt, Kaffee gekocht, Bratkartoffeln bereitet. Die ersten zwölf Jahre haben sie die „Sonne“ geführt. Die gehörte zwar zur Konsum-Genossenschaft, „trotzdem haben wir selbstständig gearbeitet“, sagt Lutz Jorzig. Dann brach die DDR zusammen, mit ihr die Konsumgenossenschaft, die „Sonne“, die berufliche Heimat der Jorzigs. Es war der Moment für den Neuanfang.

Das Haus, in dem bis dahin der Treffpunkt für Jugendliche, Rentner und auch die Post untergebracht waren, wurde ihr neues Domizil, die Gaststätte „Wella und Lutz“. Sie haben es hergerichtet, später gekauft und das Geschäft 26 Jahre lang in Eigenregie betrieben. 15 Jahre konnten sie sich außerdem stets auf die Hilfe der Glindenbergerin Sabine Jacob verlassen.

„Die Arbeit war sehr vielseitig“, blickt Wella Jorzig zurück. Wichtig sei vor allem ein offenes Ohr für die Gäste gewesen. Die haben immer Kummer, Sorge und Freude mit den Wirtsleuten geteilt. War das nicht manchmal zu viel? Die Jorzigs verneinen. Beide sind gern mit Menschen zusammen, mögen Gespräche, wollen wissen, was in Glindenberg und der Umgebung läuft. Nur das Zeitfenster nach der Wende, als so viele Biografien neu definiert werden mussten, da waren es manchmal zu viele Umbruchprobleme, die über den Tresen hinweg erzählt wurden.

Im Laufe der Zeit glätteten sich die Lebenslinien. Als in den Gaststätten nicht mehr geraucht werden durfte, kamen viel mehr Gäste wegen der bodenständigen Küche. Glindenberger, Dauercamper vom Barleber See, Reisende gehörten zum festen Besucherstamm.

Die Jorzigs standen für deftige Hausmannskost, Schnitzel, Forellen, Rouladen, Eisbein. Die Grundlagen dafür hatten sie früh gelegt. Lutz Jorzig hat Fleischer gelernt, Wella Jorzig, die in Vahldorf geboren wurde, war Molkereifachfrau und hat in der Käserei ihre ersten Brötchen verdient. Lutz Jorzig sammelte seine ersten Küchenerfahrungen als Küchenfleischer im Kreiskulturhaus in Wolmirstedt, das später Sparkasse wurde und nun endgültig abgerissen wird. Mit dem Ehepaar Kiesler betrieben sie ein Jahr lang den „Braunen Hirsch“ in Barleben, bevor es die Jorzigs 1978 endgültig nach Glindenberg verschlug.

„Vermissen werden wir wohl die Schnitzelrunde“, sagt Wella Jorzig und hängt ein Bild von der Wand. Darauf ist ein großer Kreis fröhlicher Glindenberger zu sehen, die jeden, wirklich jeden, Donnerstagabend zum Schnitzelessen gekommen waren. Eine Zeitlang schauten auch die Sportler regelmäßig nach dem Training herein, aber deren regelmäßige Besuche hatten irgendwann aufgehört.

„Wir haben nie auf die Uhr geschaut“, beschreibt Lutz Jorzig das Lebensgefühl des Gaststättenlebens, was getan werden musste, wurde getan. Zeit zum Fußballspielen, Angeln, Tischtennisspielen oder Kegeln blieb immer weniger. Das soll nun anders werden. Ein wenig werden sie ihrer Nachfolgerin noch zur Hand gehen. „Wir werden hier auch gerne ein Bier trinken“, behauptet Lutz Jorzig. Dann werden sie auf der Besucherseite des Tresens sitzen, selbst Gäste sein und womöglich der neuen Wirtin von ihren Sorgen und Freuden erzählen.

Vorerst werden sie jedoch nach Spanien, genauer gesagt nach Andalusien, fliegen. In der südlichen Schönwetter-Region werden sie einen besonderen Menschen besuchen, ihre Tochter. Die lebt dort schon seit ein paar Jahren und womit sie ihre Paella verdient, ist nicht schwer zu erraten. Wella und Lutz schmunzeln sich an: „Sie betreibt eine kleine Gaststätte.“