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Grabungsarbeiten Archäologin findet alte Straßenzüge

Der Kirchplatz und der Zentrale Platz in Wolmirstedt waren im Mittelalter dichter besiedelt als vermutet.

Von Gudrun Billowie 13.10.2016, 01:01

Wolmirstedt l Judith Lücke hockt zwischen meterhohen Metallwänden, schabt mit einer Kelle vorsichtig Erdkrümel von der Seitenwand und hofft auf Keramik. Gut einen Meter unter der Erdoberfläche des Zentralen Platzes hat die Archäologin mehrere ehemalige Gräben gefunden. Die stammen aus dem Mittelalter und wurden von den Menschen, die damals in Wolmirstedt lebten, angelegt, vermutlich zur Vorratshaltung. „Wären es Abfallgräben gewesen, hätte ich Reste gefunden“, erklärt Judith Lücke. Bisher holte sie nur aus einem der Gräben Keramik ans Licht, Scherben, die sie dem Mittelalter zuordnet, dem 14. oder 15. Jahrhundert. Die Gräben wurden bereits im Mittelalter wieder verfüllt und weil diese Füllerde dunkler ist, kann Judith Lücke die Gräben im Querschnitt sehr gut erkennen.

Nicht nur Gräben, auch Reste vom Straßenpflaster sowie einen Brunnen hat Judith Lücke bisher entdeckt und dokumentiert. Die Brunnenreste sind allerdings schon wieder unter den Erdmassen verschwunden, in diesem Areal sind die Bauarbeiten beendet.

Die Arbeiten hat der Wolmirstedter Wasser- und Abwasserzweckverband (WWAZ) für rund 460 000 Euro in Auftrag gegeben. Noch aus DDR-Zeiten stammende schadhafte Regen-, Trink- und Schmutzwasserleitungen werden erneuert. Bei so einem Eingriff in den Boden sind Archäologen dabei und suchen ausschließlich dort nach Spuren der Vergangenheit, wo der Bagger die Erde aufreißt. Links und rechts der Baustellen bleibt die Erde unberührt, die dort verborgenen Schätze bleiben für spätere Generationen im Erdboden konserviert.

Mit Funden im Bereich des Kirchplatzes und des Zentralen Platzes haben die Archäologen gerechnet, weil in diesem Areal einst die königliche Domäne angesiedelt war. Judith Lücke zeigt einen Plan, der das Gebiet im 19. Jahrhundert zeigt. Darauf sind Gebäude eingezeichnet, zu deren Flucht die Gräben sowie die Straßenreste passen, die sie in den vergangenen Wochen in gut einem Meter Tiefe gefunden hat.

„Wir waren von Anfang an sicher, Spuren der Vergangenheit zu finden“, sagt die Archäologin, „ich staune allerdings darüber, wie dicht hier gesiedelt wurde.“ Verblüffend sei außerdem, dass im Bereich des Zentralen Platzes die unterirdischen Schichten bisher kaum gestört wurden und deshalb die alten Gräben und Pflasterstraßen so gut erhalten sind.

Anders ist das im Bereich des Kirchplatzes. Judith Lücke hatte große Hoffnungen gehegt, an der Nordmauer von St. Katharinen im Baustellenbereich alte Gräber zu finden. Diese Hoffnung hat sich bisher nicht erfüllt. Das erklärt die Archäologin vor allem damit, dass im Bereich der Kirche die Erde schon öfter bewegt wurde und somit Zeugen der Vergangenheit im Zuge früherer Bauarbeiten bereits entfernt worden seien.

Trotzdem, auch an der Kirche sind Siedlungsreste verborgen gewesen. Spätmittelaterliches Straßenpflaster liegt mannshoch beziehungsweise mannstief unter der Erdoberfläche. Die alten Straßenreste sind sorgfältig mit Folie abgedeckt, denn noch kann die Baugrube nicht geschlossen werden, die Leitungsarbeiten sind nicht beendet. Auch Mauerreste sind dort ans Tageslicht getreten. Im Bereich gegenüber der Kita „St. Katharinen“ hat sich die Hoffnung der Archäologin beinahe erfüllt. Sie zeigt auf graue Steinbrocken: „Das könnten Teile einer ehemaligen Gruft sein.“ Diesen Fund wird sie noch einmal genauer unter die Lupe nehmen.

So tief, wie diese Mauerreste und Straßen unter der Erde liegen, müsste Wolmirstedt im Laufe der Jahrhunderte buchstäblich angewachsen sein. Judith Lücke bestätigt, dass viele Städte inzwischen höher liegen, als noch vor ein paar hundert Jahren.

Der schnelle Aufwuchs ließ sich besonders gut im ungestörten Bereich des Zentralen Platzes erkennen. Dort fand sie zwei uralte Pflasterstraßen, eine lag etwa 20 Zentimeter über der anderen. Auch Abbruchschichten eines mittelalterlichen Hauses hat sie entdeckt und anhand der Spuren erkennen können, dass dieses Haus seinerzeit abgebrannt ist.

Die Archäologin arbeitet baubegleitend, das heißt, nur dort, wo der Bagger die Erde aufreißt, rückt sie mit Kelle, Pinsel und Kamera an. Dann dokumentiert sie die Funde und zeichnet deren Fundstellen auf Millimeterpapier. Später werden diese Zeichnungen auf einen großen Plan übertragen, sodass sich im Laufe der Zeit ein Gesamtbild ergeben kann. Für schwere Arbeiten ist die Archäologin auf die Hilfe der Bauarbeiter angewiesen. Sie bezeichnet die Zusammenarbeit als sehr gut und versucht ihrerseits, die Arbeiten nicht allzu sehr aufzuhalten. „Manchmal nutze ich die Pausen der Arbeiter oder arbeite nach deren Feierabend weiter.“

Wegen der vielen Funde werden sich die Bauarbeiten dennoch verzögern, meint WWAZ-Mitarbeiter Bernd Zabel. „Den Fertigstellungstermin Anfang Dezember können wir wohl nicht halten.“