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Interview Im Gespräch mit Frank Nase

Seit etwas mehr als 100 Tagen sitzt Frank Nase nun als Barleber Bürgermeister im Chefsessel. Zeit für ein erstes Fazit.

Von Vivian Hömke 01.11.2018, 00:01

Herr Nase, Sie sind jetzt seit etwas mehr als drei Monaten als Bürgermeister im Amt – wie fühlt es sich an?

Man muss etwas demütig sein, denn letztendlich ist man verantwortlich für rund 9300 Bürger. Dieser Aufgabe möchte ich jeden Tag gerecht werden, jedoch hat ein Tag nur 24 Stunden. Diese versuche ich natürlich, bestmöglich auszuplanen und die Aufgaben, die anstehen, zu bewerkstelligen. Man kann nicht allem gerecht werden, aber ich habe ein hochmotiviertes Team, das mir hilft.

Wie sieht ein Arbeitstag aus?

Für mich bedeutet das, zwischen 5.30 Uhr und 6 Uhr aufzustehen. Dann habe ich etwa eine halbe Stunde, in der ich die Termine des Tages durchsehe, E-Mails checke, die sozialen Medien und die Überschriften in der Tagespresse. Ein fester Punkt ist das Frühstück mit der Familie, das ist mir ganz wichtig und im Anschluss noch eine halbe Stunde spielen mit meinen Kindern. Zwischen 8 und 9 Uhr schlage ich im Büro auf, Feierabend ist im Schnitt um 20 Uhr, es kann aber auch mal länger gehen.

Was war in ihren ersten 100 Amtstagen die größte Herausforderung?

Die größte Herausforderung ist es, einen Veränderungsprozess in den Köpfen der Menschen zu erzeugen – hin zu einem neueren Spirit. Es gibt Dinge, die jetzt ganz anders gemacht werden.

Zum Beispiel?

Beispielsweise werden Beschlussvorlagen zwar weiterhin intensiv in der Verwaltung vorbereitet, aber ich gehe offener in die Diskussion in den politischen Gremien.

In Ihrem Wahlkampf haben Sie viele Themen angesprochen und Verbesserungen versprochen. Gibt es Punkte, bei denen sich aus Sicht eines Bürgermeisters bereits eine Ernüchterung gibt – die vielleicht nicht so einfach umzusetzen sind, wie man es sich von außen vorstellt?

Nein. Es ist eher das eingetreten, was in meiner Erwartung lag: dass Dinge schwierig sind bis sehr schwierig. Diese Schwierigkeiten zu überwinden, ist meine Aufgabe. Was man, bevor man in diesem Stuhl sitzt, vielleicht verkennt, ist die Prozessdauer. Aber ich denke, es gibt auch dort noch Potenzial, Dinge schneller zu realisieren. Ich bin ein Mensch, der mit seinen Aufgaben wächst und packe die Dinge vielleicht auch anders an.

 

Was genau machen Sie anders?

Ich glaube, ich pflege einen engeren Draht zu meinen Mitarbeitern. Ich versuche hochkommunikativ zu sein und meine Tür steht im Prinzip immer offen. Ich möchte gar nicht wertend sein. Es gibt einfach Unterschiede in Bezug auf meinen Vorgänger.

Eine Ihrer Versprechungen war es, die Steuern auf das Landesniveau zu senken. Die Steuererhöhung haben Sie als unnötig bezeichnet – und dann hat die CDU-Fraktion in Barleben in der jüngsten Beratungsrunde darauf beharrt, die Grundsteuer B vorerst nur von 700 auf 650 Prozent zu senken. Immer noch ein absoluter Spitzensatz im Landesvergleich. Wie passt das zusammen?

Im Beschluss von 2017 war im Beschlusstext für 2019 ein Hebesatz von 650 Prozent vorgesehen. Auf dieser Grundlage ist die Vorlage erstellt worden, und wurde noch einmal zur Diskussion gestellt. Für mich spielt der Willensbildungsprozess eine wichtige Rolle, und jedes Gremienmitglied hat seine eigene Meinung.

Mein Wahlversprechen ist es gewesen, den Landesdurchschnitt zu erreichen. Ich habe aber einen Erwartungshorizont von sieben Jahren. Es ist vieles angeschoben worden, aber einige erwarten das Ergebnis vor dem Prozess, und das ist nicht möglich. Ich gehe mit großem Eifer an die Dinge, aber es gelingt nicht alles ad hoc.

Man muss Prioritäten setzen. Eine davon ist die Erstattung der zu viel gezahlten Kita-Beiträge. Die zuständige Mitarbeiterin beschäftigt sich an einem Tag der Woche ausschließlich mit den Beitragsbescheiden, eine andere Mitarbeiterin unterstützt sie dabei ab November.

 

Sie haben davon gesprochen, die drei Ortschaften der Einheitsgemeinde näher zusammen bringen zu wollen. Wie genau wollen Sie das „Wir-Gefühl“ in Barleben stärken?

Es spiegelt sich auch in Kleinigkeiten wider. Für mich gilt, meine Ortschaften in absoluter Gleichheit zu behandeln. Barleben ist größer, dort sind vielleicht auch mehr Veranstaltungen, so dass der Eindruck entstehen könnte, ich sei mehr in Barleben präsent. Aber alle sind mir gleich wichtig.

Ich hatte immer das Gefühl, die Leute in Ebendorf und Meitzendorf fühlten sich abgehängt. Aber ich möchte erreichen, dass die Leute merken: Die in Barleben sind für alle da.

Thema Breitbandausbau. Die durchschnittliche Quote der „Breitbandengel“ lag für die Gemeinde Barleben zuletzt bei zehn Prozent. Damit der Netzausbau wirtschaftlich wird, sind 60 Prozent erforderlich.

Meitzendorf ist momentan am schlechtesten versorgt, Ebendorf und Barleben haben schon eine relativ gute Versorgung, was natürlich die Vermarktung des Vorhabens der Arge Breitband nicht befördert.

Gäbe es Alternativen zum geplanten Giganetz der Arge Breitband, einen Plan B?

Es gibt in Barleben einen aktiven Markt von Anbietern. Die Gemeinde hat eine relativ enge Siedlungsstruktur und solvente Einwohner. Wir sind und bleiben attraktiv für die Marktakteure. Ich will aber bewusst nicht von einer Alternative sprechen. Das Pferd, auf dem wir jetzt sitzen, heißt DNS:NET, und das reiten wir im besten Fall bis ins Ziel. Die Akquisephase soll verlängert werden.

Was mir als Bürgermeister Bauchschmerzen bereitet, ist, dass der Staat eine Aufgabe, die er nicht wollte, an die Kommunen überträgt und deshalb eine Netzkleinstaaterei entsteht.

Ich bin ein Fan des Breitbands und einer flächendeckenden Versorgung, aber nicht von einer Finanzierung, an die ich 25 Jahre gebunden bin und von Abschreibungen über 40 Jahre.

Wie ist der aktuelle Sachstand zu den Klagen gegen die Kreisumlage?

Es gibt zwei laufende Verfahren – gegen die Umlage 2017 und 2018. Deshalb kann ich nicht viel ins Detail gehen. Im Grunde geht es darum, dass die Aufgaben, die eine Kommune zu erledigen hat, gleichwertig zu betrachten sind, wie die Aufgaben des Landkreises. Die Kommunen müssen zur Erledigung ihrer Aufgaben finanziell ausreichend ausgestattet sein.

Um den Finanzbedarf der Kommunen zu ermitteln, muss der Landkreis ein Anhörungsverfahren durchführen. Erst daraufhin kann er die Kreisumlage festlegen. Diese Anhörungsverfahren hat es bisher nicht gegeben.

Wie aussichtsreich sind die Klagen?

Da möchte ich nicht vorgreifen. Allerdings haben mittlerweile einige Kommunen in Deutschland gegen die Kreisumlage geklagt und gewonnen. Erst kürzlich hat die Gemeinde Hecklingen in der Klage gegen den Salzlandkreis vom Verwaltungsgericht Magdeburg Recht bekommen. In der Klagebegründung hat Hecklingen ähnliche Gründe angeführt wie wir.

Sie haben in Ihren Wahlkampfzielen davon gesprochen, die Bürger mehr in kommunale Entscheidungsprozesse einzubinden. Welche Vorstellungen haben Sie?

Zusammen mit der Niederen Börde wird ein Integriertes Gemeindliches Entwicklungskonzept (IGEK) erstellt – bei uns im Haus hat das den Namen „Barlebens Agenda 2030“.

Wir wollen mit den Bürgern darüber sprechen, wie Barleben im Jahr 2030 aussehen soll. Dazu werden wir voraussichtlich in die Gemeinschaftsschule gehen und in Themenräumen die neun Schwerpunkte des IGEK aufgreifen. Bürger können dann ihre Gedanken zu den Themen an die Tafel bringen. Das soll dann alles aufgenommen und noch einmal mit den Fraktionen und Ortschaftsräten diskutiert werden. Begleitet werden soll das Ganze mit einem Fragebogen, der im Mittellandkurier erscheinen soll, und Facebook-Umfragen.

Wie sieht es mit dem Haushaltsplan für 2019 aus?

Es gibt einen Haushaltsentwurf über 255 Seiten. Wir haben momentan noch Fehlbetrag von circa 1,9 Millionen Euro. Ich habe die Fachbereiche gebeten, alle notwendigen Aufgaben aufzunehmen. Gemeinsam mit dem Gemeinderat muss dann entschieden werden, welche Maßnahmen in geringerem Umfang oder gar nicht realisiert oder verschoben werden sollen. Wir wissen, dass wir sparen sollen, wir wollen aber auch das gemeindliche Leben erhalten.

Welchen Stellenwert haben für Sie die ehrenamtlichen Vereine in der Gemeinde?

Vereine sind nach der Familie die kleinste demokratische Einheit und deswegen von essenzieller Bedeutung für die Gesellschaft. Ohne das engagierte Handeln der Vereine würde Barleben um vieles ärmer sein.

Wenn wir aus dem Gröbsten raus sind, müssen wir auf jeden Fall über eine Förderung von Sport, Kultur, Literatur und Kunst wieder intensiver nachdenken. Denn das hält die Gesellschaft im Kern zusammen.